Dienstag, 31. Juli 2012

Die Ersatzkatze schlägt zu

Hastig riss sie sich die Tunika von Leib. Das tiefe Rot wurde von unregelmäßigen, sich langsam rostrot verfärbenden Sprenkeln verziert. Blut. Viel Blut. Das Blut von Msanaa.

Und nicht nur auf ihrer Tunika, auch in der Arena und im Haus des Medicus - schier überall. Wer hätte gedacht das ein einzelner Mensch über soviel Blut verfügen könnte? Sie seufzte.
Eigentlich hätte heute der mysteriösen Kämpfer von Corinus gegen den Syrer antreten sollen, aber dieser war wegen irgend einem Zipperlein kampfunfähig. Schon seltsam, jetzt hatte sie ihn in der ganzen Zeit in der sie hier war noch nie kämpfen sehen. Entweder dieser Gladiator war wirklich so gut das er es nicht nötig hatte ständig anzutreten - oder so schlecht das er nicht mehr kämpfte um seinen Ruf nicht zu beschädigen.
Stattdessen hatte der offensichtlich von Großkatzen faszinierte Stadthalter mal wieder eine Tierhetze angesetzt und der Nubier war da als Retarius natürlich die erste Wahl. Aber dieser Gepard hatte es wirklich in sich gehabt.. und schließlich den erfahrenen Kämpfer fast vor den Augen des Publikums zerfetzt. In Gedanken an den Anblick des Raubtieres mit dem blutverschmiertem Gebiss, welches über dem riesigen Mann hockte und fauchte ließ ihr immer noch kalte Schauer über den jetzt nackten Rücken hinab laufen.

Sie verabscheute diese Art von Kämpfen. Das Gefecht Mensch gegen Mensch war etwas völlig anderes, ein spannender, mitunter tödlicher Wettkampf nach jahrhundertealter Tradition. Aber diese Bestien berührten etwas tief in ihr - die Furcht vor der grausamen Natur mit ihren wilden Launen. Eine Natur deren tödliche Tücken unberechenbar losschlagen konnte. Wie bei Terentia und ihrer Familia.... Wütend kickte sie die Tunika in die Ecke.

Der Sklave hatte nur wegen dem beherzten Eingriff des Tierführers überlebt, was durchaus nicht jeden im Publikum erfreut hatte. Völlig aufgelöst war sie nach dem Kampf zum Medicus gestürmt und hatte wie wild gegen seine Tür geklopft. Als sie ihn schließlich erfolgreich nach draußen gelockt hatte, wurde auch schon der Nubier achtlos von den Sklaven der Arena vor die Füße der beiden geschmissen.

Gemeinsam hatte sie es irgendwie geschafft den massigen Mann hinein auf den Behandlungstisch zu wuchten, wobei sie glücklicherweise nur dessen Helm verloren und nicht die Eingeweide, die schon neugierig aus der von scharfen Krallen gerissenen Bauchwunde lugten. Fassungslos starrte Faba darauf, als Tiberius sie aufforderte den Armschutz abzunehmen. Automatisch gehorchte sie seiner ruhigen, klaren Anweisungen - die Instinkte jahrelangen erzwungenen Gehorsams ließen sich nicht einfach abschütteln und gaben ihr in dieser so unwirklichen Situation Halt. Blut benetzte ihre Kleidung, während sie so gut sie konnte half und sich dabei langsam beruhigte.

Es tat gut, nicht mehr das ganze völlig hilflos von der Tribüne ansehen zu müssen (auf den Platz hatte man sie jetzt nach der Heirat mit Quintus verbannt) sondern handeln zu können. Gegen die Ohnmacht anzukämpfen. Tiberius gefasste Gelassenheit faszinierte sie, während er sich zuerst daran machte die Wunden mit Wasser - sie roch ganz eindeutig Kamille, vielleicht ein Tee? - auswusch, die schlimmsten Wundränder begradigte und vernähte. Er hatte wohl schon trotz seiner Jugend viel Schlimmes gesehen und dennoch seinen trockenen Humor bewahrt.
Der Retarius wurde unruhig, sein Kopf zuckte hin- und her während er Unverständliches murmelte. Drängten sich die Schmerzen doch bis zu seinem delirienhaften Dämmerzustand durch? Sanft strich die Wirtin mit einem befeuchteten Tuch über seine fieberheiße Stirn und versuchte ihn zu beruhigen. Sie hatte nicht gesehen das er einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte, aber vielleicht hatte er sich auf die Zunge gebissen und nuschelte deswegen so komisches Zeug? Oder war das Nubisch?
Entweder ihre Ohren gewöhnten sich langsam an die barbarischen Klänge oder Msanaa hatte dann doch ins lateinische gewechselt, auf jeden Fall konnte sie jetzt einige Satzfetzen verstehen. "Keine Siege, kein Wert, warum nicht sterben lassen in Arena..."
Sie verstrich ihren guten Honig zur Abwechslung auf den frisch genähten Wunden des Sklaven anstelle des üblichen leckeren Brotes. Zur Desinfektion, wie Tiberius sagte. Ein Glück das sie ihren Traubenmost nicht wie üblich mit Bleizucker süßte.

Mit der tatkräftigen Hilfe von Corinus wurde der Verletzte schließlich zum Ludus transportiert und dort Sabrinas Obhut überlassen. Wie konnte ein Mann der in der Öffentlichkeit lautstark den Tod von jemandem eingefordert hatte diesem ohne mit der Wimper zu zucken helfen? Der Lanista war voller Widersprüche.. aber tief in ihm steckte wohl wirklich ein gutes Herz.

Fröstelnd schlüpfte sie unter die dünne Decke. Morgen würde sie versuchen den Blutflecken bei zu kommen. Ob der Kämpfer überleben würde, der ihr gegenüber immer so höflich gewesen war? Selbst Tiberius war sich da anscheinend nicht sicher gewesen.
Ihre Hilfe war ebenso wenig uneigennützig gewesen wie die des Medicus. Sie wollte Quintus nicht begegnen wenn einer seiner Gladiatoren gestorben wäre ohne das sie für sein Hab und Gut gekämpft hätte.

Hohl hallte das Versprechen in ihrem Kopf, das sie dem von Zukunftsängsten geplagten Gladiator gegeben hatte: "Quintus wird dich nicht umbringen lassen, das verspreche ich Dir." Es stand im direkten Widerspruch zu ihrem Abkommen mit Quintus das sie sich nicht in Dinge einmischen würde die mit seinem Ludus zu tun hätten. Welches der beiden Versprechen war wichtiger?

Sonntag, 29. Juli 2012

Bildungslücken

Wütend kratzte der Griffel über das weiche Wachs der Schreibtafel und förderte dort immer mehr wackelige, widerspenstig in alle Richtungen weichende Buchstaben zutage. Die alte Wirtin wurde es nicht leid ihr Schriftbild und ihre "Ottergraphie" zu bemäkeln und so nutzte sie ihre freie Zeit, um an sich und dieser verhassten Fähigkeit zu arbeiten. Das Lesen gelang ihr mittlerweile ganz gut, sie schaffte es sogar die Lippen mit äußerster Willensanstrengung ruhig zu halten und auch ihre Zunge auf der richtigen Seite von ihnen zu positionieren. Ein grimmiges Grinsen huschte über ihre sonst so gefälliges Gesicht - Terentia hatte sie früher immer wieder aufgezogen dass sie beim Lesen auf diese biss und die Zungenspitze fröhlich im Takt der Buchstaben hin- und herhüpfte. Das Schreiben jedoch - das war eine echte Folter. Nur das Versprechen der alten Wirtin gegenüber und die Furcht vor der Entdeckung dass die Frau des Lanistas schlechter schrieb als ein siebenjähriges Kind wirkten Wunder.

Und das Gefühl von zielloser Wut half auch. Sie hatte eben Serena gestellt und auf ihr Verschwinden von gestern angesprochen.
"Ich habe Dich in eine missliche Lage gebracht? Inwiefern denn?" hatte sie noch halb verträumt erwidert und dann tatsächlich einen Moment nachdenken müssen. Missmutig stieß sie den Griffel tief in das duftende Wachs. Und die endgültige Antwort befriedigte sie auch nicht wirklich. "Verzeih aber - nun ja, Dominus versprach mir Dir auszurichten das er mich fortgeschickt hatte um den Gästen die Insulae zu zeigen". Wahrscheinlich log Serena noch nicht einmal. Corinus wäre das durchaus zuzutrauen - und nichts war für eine Taverne schadhafter als unzufriedene Gäste die dann womöglich noch ihr Leid in alle Welt herumposaunten. Aber war es tatsächlich in böser Absicht geschehen? Nachdenklich wischte sie sich einen Krümel Wachs von der Wange. Sie wusste es nicht. Der Mann war in seiner Launenhaftigkeit unberechenbar. Letztendlich hatte sie der Sklavin dann einfach zwei Sesterzen für ihr Peculium gegeben - sie würde ihre Aussage nicht überprüfen können und das Trinkgeld war bei dem Ausleihen fremder Sklaven durchaus üblich.

"Salve Faba". Sie schaute zu Agape auf und versteckte die Wachstafeln sofort, während sie spürte wie das Blut in ihre Wangen schoss. Die Hetäre hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und verzichtete zum ersten mal in Fabas Gegenwart auf ihre übliche Jagdgebaren. Bei einem Becher Wein waren die beiden schnell in eine angeregte Unterhaltung über ein Fest zu Ehren von Dionyseus - sie nutzte den griechischen Namen für Bacchus - vertieft, welches Agape plante. Ein herrlicher Gedanke - sie würde gewiss viel Wein dafür benötigen und Faba plante sowieso, am Ende des Monats einen ihrer Weinlieferanten zu besuchen um die Preise neu zu verhandeln. Wenn sich die beiden zu einer Großbestellung zusammen tun würden könnte man den Gesamtpreis weiter drücken. Wieder hörte sie das Prasseln frisch geprägter Münzen in ihrem Kopf. Leider sollte das ganze aber erst nach dem Fest von Corinus stattfinden - sie nutzte die angesichts ihrer Tätigkeit äußerst interessante Formulierung "Ich will ihm gefällig bleiben". Wie auch immer, dieses ominöse Fest war zwar schon seit Monaten angekündigt, aber schien in seiner Planung nicht weiter voran zu schreiten. Wirklich schade.

Sie wurden von den beiden Gladiatoren unterbrochen die wie zwei völlig verschüchterte Jungen verlegen zu ihnen getrottet waren. Höflich erkundigten sie sich nach dem Haus von Agape, ohne dessen Besitzerin zu erkennen die ihren Blick wohlwollend über die muskulösen Körper gleiten ließ.

"Mein Bruder hier haben sozusagen eine Lehrstunde bekommen geschenkt von Dominus Granatus" begann Thalab, nachdem die Hetäre sich vorgestellt hatte. Schließlich attestierte er Msanaa "ge-fähr-li-che Lücken in Sachen von Bildung in die-ser Hinsehen." Dieser widersprach ihm: "Warum ich mir sollen ansehen Fell? Reichen nicht wenn erklären was für Fell?". Und es schien auch nicht der einzige Punkt zu sein in dem sich die beiden unklar waren: "Corinus nix zahlen. Ich verstanden hab das soll bezahlen unsere Dominus."

Erst einige heftige Wortwechsel später fand sich heraus was eigentlich passiert war. Thalab hatte anscheinend ein Wort benutzt das Msanaa nicht geläufig war und Corinus hatte darauf hin in einer wohl missverständlichen Formulierung gesagt das Agape ihm da wohl weiterhelfen könnte. Thalab legte den Satz sofort zu Msanaas Gunsten aus während dieser das ganze pessimistischer - und wahrscheinlich damit auch realistischer - deutete.

Als klar war das Agape sich nicht auf einen finanziell so zweifelhaften Auftrag einlassen würde schlurfte Thalab kopfschüttelnd davon und ließ den verwirrten Nubier alleine mit den Frauen zurück.
"Hey, Du nicht könne werfen mit Worten um dich und dann mich sterben lassen dumm! Was denn nun sein mit diese Fell.....Fellutzi....Fallizita........verdammt!" Msanaa floh angesichts dieser Tatsache dem anderen Gladiator hinterher und brüllte weiter: "Was sein das für eine Erfindung dieses Fellatio!?!"

Nachdem Agape gegangen war spülte Faba nachdenklich das Geschirr. Sie hatten sich noch lange über den Beruf der Hetäre unterhalten während das leise Stöhnen und heftige Atmen eines Liebespaares - die Liebesdienerin hatte ihr versichert das es sich hierbei keinesfalls um Straßenköter handelte - irgendwo da draußen in den Gassen das Gespräch auf beinahe gespenstige Art und weise untermalte. Einige Satzfetzen schwirrten ihr immer noch unermüdlich durch den Kopf. Agape war ohne Zweifel eine beeindruckende Frau - hinter dem hübschen Körper steckte ein äußerst wacher Geist. Etwas, das in ihren Augen weitaus gefährlicher, wenn auch - sie musste es sich eingestehen - anziehend war.

Sie nahm sich fest vor Quintus zu fragen was denn nun eine Fellation war.

Samstag, 28. Juli 2012

Enttäuschungen

Hell und freundlich leuchtete das warme Licht einer Öllampe aus dem Fenster des Ludus. Ein Orientierungspunkt in der tiefen Schwärze der letzten Nachtstunden. Ein leises Rascheln neben ihr - sie presste sich instinktiv in den Schatten einer Hausmauer. Warm strahlten die gebrannten Ziegel noch den Rest der Tageshitze ab, während sie ängstlich in die Dunkelheit starrte. Die Nächte waren nicht ungefährlich, in den menschenleeren Gassen verschwand so einiges. Man sorgte für seinen eigenen Schutz oder lebte mit den Konsequenzen - im Idealfall ohne die Aufmerksamkeit des völlig korrupten Rechtssystems zu erregen. Plötzlich sprang ein grauer Schemen vor ihre Füße, fauchte leise und huschte davon. Eine Katze.. erleichtert atmete sie auf. Schnell hastete sie das kurze Stückchen zum Ludus, öffnete die Tür und ging auf Zehenspitzen die Treppenstufen hinauf zu ihrem Mann.

Der Tag war eine echte Enttäuschung gewesen. Beziehungsweise eine Aneinanderkettung diverser Enttäuschungen. So als ob die Götter beschlossen hätten heute mal ausgiebig zu zeigen was den Menschen drohen konnte. Das sie letztendlich doch nichts anderes waren als armselige Sterbliche, einsam und hilflos ihrem Los ausgeliefert, welches die Parzen schon lange vor der Geburt bestimmt hatten.

Irgendwie war jeder unzufrieden gewesen. Msanaa hatte am Hafen gelungert und gehofft, seine Muskeln und sein Peculium zu stärken indem er bei dem Entladen von Schiffen aushalf. Aber der Hafen war leer, selbst das Schiff des Ägypters hatte gerade abgelegt. So bot er Faba seine Hilfe an als Florina dazu kam und mit todtrauriger Stimme einen Gruß murmelte.

"Du bist doch der Gladiator der vor einigen Tagen gegen die Frau verloren hat" schleuderte sie dem Gladiator sofort ins Gesicht, wohl wissend das sie damit frische Wunden wieder aufriss. Das Angebot mit Msanaa einkaufen zu gehen um die Vorräte der Taverne aufzufrischen schlug sie aus und stichelte gnadenlos weiter auf den wehrlosen Sklaven ein. Auch Fabas Einwand das Msanaa ja gegen den Geparden gewonnen hatte, fruchtete nicht. Florinas Stimmung war auf einem absolutem Tiefpunkt und sie hatte es darauf angelegt zu verletzen. Herrisch forderte sie das der Nubier Serena tragen sollte um zu beweisen das er stark genug wäre ein Fass zu heben - eine absurde Idee in die sie sich völlig verrannte.

Unerwartet brach sie auf einmal in Tränen aus und rannte davon, verfolgt durch die verwirrten Blicke der Anwesenden. Die Wirtin seufzte: "Ich versuch mal mit ihr zu reden... Serena, kannst du dich derweil um die Taverne kümmern?" und machte sich auf die Suche.

In dem kleinen Park vor dem Bad fand sie Florina schließlich heulend auf einer Bank sitzen. Stockend, schniefend und reichlich verworren begann diese unter Tränen von ihrem Kummer zu erzählen.

Sie war am Hafen wohl jemandem begegnet der ihren Marcus kannte und ihm wohl von der Verlobung erzählt. Doch dieser hatte sie nur ausgelacht und behauptete, das Marcus sich kaufen ließe um Frauen zu beglücken oder zu betrügen - etwas von dem Faba noch nie im Leben gehört hatte. Wo lag bei so etwas der Nutzen? Und warum jemand dafür bezahlen wenn es doch Sklaven gab? Wer hätte denn ein Interesse daran gehabt das Florina verführt würde?

"Vater hat ihn wohl sehr gut bezahlt damit er mich ein wenig zufriedener macht und ich keine Dummheiten, weil... weil doch der neue Kandidat sich verspätet hatte... und.... Vater auf Reisen doch war" Florinas Antworten blieben rätselhaft. So langsam kam Faba der Gedanke das dieser "Bekannte" sich das ganze einfach ausgedacht hatte um die mit sich selbst so hadernde kleine Frau zu verletzen.

Nun berichtete sie auch zum ersten Mal über die Details ihrer Flucht. Es war nicht Marcus gewesen, der die Händlertochter überredet hatte zu fliehen. Sie war es, die ihm einfach eine Botschaft geschickt hatte mit der Aufforderung sie in einer Woche hier zu treffen und dann ohne eine Antwort abzuwarten vorreiste. Noch nie war es Faba so schwer vorgekommen nicht das offensichtliche zu sagen.
Amors Gift war tückisch - aber hier schien es wahre Meisterleistungen mit Florina vollbracht zu haben. Wie konnte man einem anderen Menschen derart blind vertrauen? Kein Wunder das er nicht hier war.

Aber diese Begegnung hatte zumindest etwas gutes - Florinas Liebe war schlagartig in Hass umgeschlagen und die junge Frau machte sich zum ersten Mal ernsthafte Gedanken über ihre Zukunft. Gemeinsam schmiedeten die beiden Frauen Pläne. Neben der Taverne befand sich ein leeres Haus das dem verwittertem Schild nach einst eine Bäckerei gewesen war. Und die Idee, diese zu mieten und wieder in Betrieb zu nehmen hob die Stimmung der Enttäuschten schlagartig. Faba gefiel der Gedanke - so hätte sie gewiss die Möglichkeit einfach und günstig an gutes Brot und andere Köstlichkeiten zu kommen.

Und dann die Enttäuschung als sie bei der Taverne angekommen war. Serena hatte ihr Versprechen gebrochen und war verschwunden. Stattdessen traf sie zwei neue Gäste an, die offensichtlich wegen der Wartezeit sehr verstimmt und hungrig waren. Sie schluckte einen lauten Fluch hinunter. Als sie gegangen war hatten hier drei Sklaven untätig herumgelungert - warum war keiner von ihnen losgeeilt um ihr Bescheid zu geben?

Zudem schienen die Gäste außerordentlich anspruchsvoll zu sein - aber glücklicherweise schien Florinas Kochkunst die Stimmung wieder halbwegs zu retten. Sogar die offensichtlich naschsüchtige Gladiatrix hatte noch einmal vorbeigeschaut um ein paar Datteln abzustauben und die späte Gesellschaft mit ihrer lebhaften Art zu unterhalten.

Dennoch blieb ein schales Gefühl am Ende des Tages zurück. Warum hatte Serena sie im Stich gelassen? Wie konnte Florina so grausam sein und ihre Launen an wehrlosen Sklaven ausleben? Sie hatte versucht ihr zu erklären wie sich so etwas für einen Sklaven anfühlte und die junge Frau schien auch ein schlechtes Gewissen deswegen zu entwickeln. Aber was würde das nächste mal passieren wenn Florinas Gefühle wieder so mit ihr durchgingen? Die Frau kam ihr immer mehr vor wie ein zweischneidiges Schwert...

Mit einem Lächeln auf den Lippen stand sie jetzt oben neben der Öllampe. Vor ihr lag friedlich schlummernd Quintus, seinen Kopf sanft auf einem Stapel Rechnungen gebettet. Liebevoll nahm sie ihm die Schreibfeder aus der schlaffen Hand und legte sie auf den Schreibtisch.

Ob sein Abend wohl besser gelaufen war?

Donnerstag, 26. Juli 2012

Fruchtbarer Boden

Viel zu wach starrte sie an die Zimmerdecke. Wieder das ruhige Atmen neben ihr, an das sie sich jetzt schon fast gewöhnt hatte. Dieses mal würde sie ausschlafen und genießen, dass jemand anderes ihr Frühstück zubereitete. Aber wieso fand sie dennoch keinen Schlaf?
Wie kam es das sie jetzt schon an ihrem Mann gezweifelt hatte?
Sie schloss die Augen und ließ den Abend noch einmal Revue passieren.

Zuerst war ein neuer Gast in der Taverne aufgetaucht. Offensichtlich knapp bei Kasse, dafür aber reich an Worten. Sie kannte diese Art Mensch. An unsteten Orten wie ihrer Hafentaverne begegnete man ihm immer wieder. Bei der Armee gedient, zuviel gesoffen und gehurt, dann nach der üblichen Laufzeit ausgeschieden oder schlimmer, unehrenhaft wegen Disziplinlosigkeit oder eines anderen Vergehens entlassen worden und jetzt auf einmal ohne Geld und Sicherheit gestrandet. Ziellos herumirrend wie ein losgeschlagenes Segel im Wind. Sie lächelte ihm freundlich zu - dem Alter nach könnte er tatsächlich die Dienstzeit auf ehrenvolle Art und Weise beendet haben.
Die Frage ob sie hier alleine wäre - kein gutes Zeichen. Sie war fast dankbar als Agape - offensichtlich auf der Jagd nach betuchter Beute - um die Ecke kam und sich der Taverne näherte.

Und da war sie schon, die erwartete Frage: "Gibt`s hier in der Stadt noch Arbeit ? Ich suche nämlich zufällig gerade welche..."
Natürlich hatte er kein produzierendes Handwerk erlernt. Einfache Arbeiten suchte er - ahh, da war sie auch, die Erwähnung der Armeezeit - und das Angebot Leute raus zu schmeißen. Währenddessen hatte Agape schon ihre Ware eindrucksvoll auf der Bank drapiert und ging in den Angriff über. Vielleicht konnte sie ihm tatsächlich eine Arbeit verschaffen, immerhin war sie ja noch dabei ihr Lupanar aufzubauen und ein starker Mann für unliebsame Gäste war gewiss nicht verkehrt. Und wenn sie keine Arbeit für ihn hatte, so schien sie dennoch darauf erpicht ihm ein anderes Angebot zu machen.

Quintus erschien und sie ließ ihre Gäste allein um in der Taverne die Bestellungen zu erfüllen. Kurz darauf erschien Florina bei ihr mit einem überaus traurigem Gesichtsausdruck. Anscheinend dämmerte der fleischigen und eingefleischten Optimistin jetzt auch, das ihr Verlobter trotz aller Erwartungen immer noch nicht erschienen war. Faba umarmte sie tröstend und bot ihr an die Küche benutzen zu dürfen, bevor sie wieder nach draußen eilte um ihren Gästen die Getränke zu reichen.

Draußen bekam sie nur vereinzelte Gesprächsfetzen mit bevor sie wieder nach drinnen lief um neugierig der Kochbegeisterten bei ihren kulinarischen Künsten zuzuschauen und ihr ein wenig Trost und Hilfe zu spenden. Wie sie Dinge kombinierte! Ei mit Obst und gutem Wein.. aber der gute Geruch schien ihr Recht zu geben.
"Du solltest wirklich etwas aus deinen Kochkünsten machen" schlug Faba vor bevor sie wieder nach draußen ging um den Gästen auch etwas von dem Gericht anzubieten, die Menge war ohnehin überaus reichhaltig bemessen - was man auch über die eingesetzte Portion Pfeffer sagen konnte.

Und irgendwie war ab hier alles vollkommen schief gelaufen. Nachdem die veredelten Birnen großzügig auf alle Anwesenden verteilt worden waren hatten sich die beiden Frauen nach draußen begeben und zu den Männern an den Tisch gesetzt, während Agape wegen einem Termin davoneilte. Aber das Gespräch war aber auch missverständlich gewesen...

"Es gibt also zwei Ludi in dieser Stadt und euer Konkurrent macht euch momentan Probleme?" sagte der Fremde, den Quintus eben Pinto genannt hatte.

"Jeder Konkurrent ist ein Problem, aber dieser ist ein Emporkömmling. Er hat den Ludus geerbt und mit ihm ein Tier von einem Gladiator, welcher meinen Favoriten fast in Stücke zerschlagen hat. Damit habe ich nicht nur einen guten Gladiator verloren, sondern auch den jahrelangen Titel als erster Ludus von Brundisium." erwiderte Quintus.

"Aber einen Mann kann man doch knacken- wenn er ein Tier ist, ist er bestimmt nicht besonders beliebt....Wie heißt dieser Ludusbesitzer? Mir scheint er hat nur gewonnen weil er den richtigen Mann im Ludus hatte - nicht weil er weiss wie man einen Ludus führt".

Heiß brannte sich der Pfeffer in Fabas Kehle und sie rang nach Luft. Wasser! Dankbar nahm sie Pintos Angebot an und bediente sich großzügig aus seinem Wasserkrug, während alles um sie herum von dem heißen Brennen in ihr verdrängt wurde.

Und dann Pintos letzter Satz: "Hey es sieht aus als würden wir beide von 'ner Zusammenarbeit profitieren. Ich versuche diesen Typen platt zu machen und wenn`s mir gelingt zahlst du mir `ne angemessene Belohnung- wenn nicht hab ich halt Pech gehabt aber du hast`s versucht..."

Argwöhnisch musterte Faba die beiden Männer. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein? In ihrem Kopf überschlugen sich alles. Heuerte ihr Mann gerade in aller Öffentlichkeit einen Mörder an um den unliebsamen Feind loszuwerden? Bei den Göttern, der Verdacht würde sofort auf ihn fallen... Wie konnte er nur so leichtfertig sein? Bei all den seltsamen Unglücksfällen die Corinus in letzter Zeit passiert waren und deren er Quintus beschuldigte - Nein, das war viel zu gefährlich.

Und er zuckte nur mit den Schultern: "Mir ist jedes Mittel recht. Hauptschache ist, der Ludus Granatus bekommt mal wieder einen Dämpfer". Die Antwort ihres Mannes beruhigte sie kein bisschen.

"Quintus, wenn man dich dafür verantwortlich macht und den Löwen zum Fraß vorwirft..." sie wagte es gar nicht den Satz zu beenden.

"Wieso verantwortlich? Es würde ein ehrenwerter Kampf in der Arena werden." sagte er erstaunt und auf einmal verstand sie worum es wirklich ging. Quintus versuchte nur Pinto als Gladiator anzuheuern! Ach, wie hatte sie dieses so Selbstverständliche so falsch verstehen können? All die kleinen Gemeinheiten, die Sticheleien, die Anschuldigungen von Corinus... Wie war es so weit gekommen das sie bei ihr auf so fruchtbarem Boden fallen konnten? Wie hatte sie ihren Mann für derart naiv halten können?

Unruhig wälzte sie sich hin und her. Quintus hatte ihr verziehen. Aber konnte sie sich selber diesen hässlichen Verdacht jemals vergeben?

Samstag, 21. Juli 2012

Zwischen den Häusern

Natürlich kam es wie es kommen musste. Und dabei hatte alles so harmlos angefangen...

Laut krachten vor den neugierigen Zuschauen in der Taverne Tamaras und Msanaas Waffen aneinander. Riesig und mächtig erhob sich der dunkle Kämpfer drohend vor der selbstbewussten Gladiatrix. Jeder seiner beeindruckenden Muskeln war angespannt als er seine ganze Stärke in die wilden, wuchtigen Angriffe steckte. Aber die Kämpferin erwies sich als überaus wendig und wich immer wieder aus, während sie selber nicht weniger heftige Konterattacken startete. Dennoch entschied ein erfolgreicher Treffer Msanaas indirekt das Ende des Kampfes, als sein hölzerner Dreizack auf Tamaras ungedeckte Brust stiess. Er zerriss ihr ohnehin schon knappes Oberteil und grub drei hässliche Wunden in die vor Schweiß glänzenden Haut. Hilflos verlor das strapazierte Stoffstück den Kampf gegen Tamaras Rundungen nun endgültig und flüchtete sich vom Wind getragen zur See.
Die Feststellung das seine Kontrahentin nicht nur über einen Holzspeer sondern zudem auch noch sehr offensichtlich über die wohl gerundeten Waffen einer Frau verfügte, war zuviel für den gestandenen Kämpfer, der offensichtlich nur männliche Gegner gewohnt war. Während diese Neuentdeckung seine ganze Aufmerksamkeit fesselte, hatte Tamara die Gelegenheit geschickt genutzt und fällte den verblüfften Kämpfer mit einem gut gezielten Speerwurf.

"Das gibt es nicht, nun hat sie auch noch dieses hirnlose Tier besiegt!" rief Corinus erstaunt aus, als Msanaa offiziell aufgab. Er hatte kaum den Blick von dem Kampf wenden können und auch Majas Frage völlig überhört. Anscheinend hatte der ehemalige Gladiator auch wieder angefangen heimlich mit Tiberius zu trainieren - um ein wenig in Form zu bleiben: "Ich will eben nicht dick werden wie Quintus."
Schockiert schaute die Wirtin mit sich rötenden Wangen zu ihm: "Dick!?! Kein bisschen! Stark und muskulös..." Erst als sie Corinus Geschichtsausdruck sah bemerkte sie was sie da gerade behauptete nachdem er sie so unsanft aus ihren Tagträumen riss.

Wie eine Katze die ihre Beute fixierte richtete sich sein Blick auf die jetzt vor Aufregung geweiteten Augen der frisch Verliebten und seine Stimme wurde hatte auf einmal etwas lauerndes, als er ruhig sagte: "Sag Faba, hast du gewusst das Quintus Impotenz nachgesagt wird?"
Die Wirtin war reichlich verwirrt und erst ein heftiger Stoss von Florina - welche aus doch sehr sichtbaren Gründen noch nie gut auf das Thema anzusprechen war- schafften es ein wenig Ruhe in die rasenden Gedanken von Faba zu bringen.
Sie zwang sich zu einem unschuldigen Lächeln: "Ich frage mich wie man etwas derartiges bei einem unverheirateten Mann feststellen möchte..."
"Nun es gibt Sklavinnen genug..", Corinus blickte zu der Sklavin seiner Frau, "Raissa kann ja mal demnächst testen ob die Gerüchte stimmen." Das war keine Aussicht die Faba sonderlich behagte. Seufzend schüttelte sie den Kopf und bemerkte mit bemüht herablassendem Tonfall, etwas was ihr einfach nicht gelingen wollte: "Nicht jeder hat es nötig sich anderen aufzuzwingen".
Aber Corinus hatte den Braten schon gerochen, sein breites Grinsen sprach Bände. Bei den Göttern, der Kerl war schlimmer als ein trainierter Sklavenhund. Fluchtartig stürzte Faba in ihre Küche unter dem Vorwand sich noch etwas Wein zu holen.

Sie lehnte sich gegen den Schrank und versuchte sich erstmal zu beruhigen. Sie hätte wohl genauso gut in riesigen Buchstaben eine Liebeserklärung an das Ludus Calpurnianus schreiben können. Was war denn mit ihr los? War ihr Verstand denn zusammen mit der alten Wirtin abgereist? Sie hatte sich dazu hinreissen lassen zwei Nächte mit einem Mann zu verbringen - aber ohne die dritte Nacht wären sie nur Quell für Spott und Hohn. Ehefrau oder leichtes Mädchen - solange das nicht entscheiden war sollte sie sich besser bedeckt halten. Vor allem weil tief in ihr immer noch ein Funken Zweifel glomm.

Als sie sich so weit gefasst hatte das sie sich wieder nach draußen traute verabschiedete sich das Paar auch schon - etwas was Faba unter diesen Umständen dann doch mehr als Willkommen war.

Um sich und die immer noch sehr schwärmerische Florina ein wenig abzulenken starteten die beiden einen nächtlichen Streifzug durch Brundisium während sie sich lebhaft unterhielten. Es tat gut einfach und unbefangen über die eigene Vergangenheit und die Zukunft reden zu können. In Florina schien sie zum ersten mal nach Terentia wieder eine Freundin gefunden zu haben - jemand dem sie vertrauen konnte und der einen verstand, auch wenn man sich selber gerade fremd war.

Aber manchmal schockierte es sie doch wie oberflächlich die rundliche junge Frau dachte.
"Hübsch" war ihr Lieblingswort. Und wie stark sie auf Äußerlichkeiten achtete..
Faba schluckte. Sie hatte selbst bei ihrer Milchschwester miterlebt wie vergänglich Schönheit war. Aber wie konnte man so etwas vermitteln? Florina glich in der Hinsicht einem Nachtfalter der magisch von dem Licht jeder Öllampe angezogen wurde ohne zu bemerken das dort doch nur der eigene Tod in den trügerischen Flammen lauerte. Aber vielleicht musste jeder diese Erfahrung selber machen.. und wie es aussah stand Florinas Lektion bald bevor, da sich ihr Marcus immer noch nicht hatte blicken lassen.

Sie zeigte ihr den Schleichpfad hinter der öffentlichen Latrine der direkt zu der riesigen, jetzt in Dunkelheit gehüllten Arena führte. Groß und mächtig erhob sie sich über ganz Brundisium - aber trotz der vorgerückten Stunde war sie nicht menschenleer. Ein Schauspielerpaar hatte sich eingefunden und tobte wild zitierend durch die leeren Ränge und wagten sich am Schluss sogar auf den hellen Sand hinab. Fasziniert beobachteten sie das Treiben der beiden und Florina reagierte sehr heftig als sie bemerkte das der dort unten aufgeführte Heiratsantrag dann doch nur gespielt war.
Auf einmal weiteten sich ihre Augen und sie streckte den Arm aus um hinter die beiden Schauspieler zu deuten. Laut und angstvoll peitschte ihr Ruf durch das riesige Gebäude: "Da! Die Löwen kommen!" Faba unterdrückte ein lautes Lachen, als zumindest der junge Mann dem ungeahnten schauspielerischem Talent der leidenschaftlichen Köchin erlag. Man sollte sie doch nicht unterschätzen...

Gutgelaunt ließen sie die beiden zurück und wandten sich wieder dem Heimweg zu. Wortgewaltig hatte Florina ihr die Grauen ihrer zwei Ehen erzählt - von dem Tod des ersten Scheusals beim Vollzug der Ehe in der ersten Nacht und der lieblosen Behandlung durch seinen Nachfolger. Das Leben hatte es wirklich nicht gut mit ihr gemeint und so verwunderte es nicht, das sie der dritten unfreiwilligen Ehe entfloh.

Der Ehe entfliehen.. schon wieder das Thema. All ihre Gedanken drehten sich nur noch um diese schon nicht mehr junge Nacht. Sie standen vor dem Ludus in dem Quintus auf sie wartete.. wahrscheinlich mal wieder mit Unmengen von Papier vor sich.

Die dritte Nacht die alles entschied. Florina hatte sich nach einem ganzen Schwall wohlmeinender Worte verabschiedet und Faba stand nun alleine zwischen der Taverne und dem Ludus. Nur noch wenige Stunden bis zum Sonnenaufgang... und diese sollten entscheiden wie ihr Leben weiter verlaufen würde.

Welchen Weg sollte sie wählen?

Sonntag, 15. Juli 2012

Von einem Kater, dem Kochen und den Freuden an kaltem Wachs

Still und heimlich stahl sie sich im Morgengrauen aus dem Bett, klaubte ihre verstreut herumliegenden Sachen zusammen und schlich auf Zehenspitze zur Treppe, während sie angespannt dem Atem des Schlafenden lauschte. Gleichmäßig und ruhig teilte er die Stille vor dem Morgengrauen in kleine, regelmäßige Abschnitte. Einatmen, Ausatmen - sie zog die Tunika über ihren Kopf, was der eh schon völlig zerzausten Frisur nicht weiter zuträglich war. Ein metallisches Schnappen und der billige Gürtel saß wieder an ihrer Taille. Hastig drapierte sie ihr Schultertuch um Haupt und Oberkörper um nicht allzu schnell erkannt zu werden. Die Schuhe nahm sie in die Hand als sie leise hinunter huschte und durch die offene Haustür wie eine Diebin davon eilte. Die zweite Nacht. Sie schluckte. Immer noch waren ihr die Morgen danach peinlich. Traf sie ihn in der Öffentlichkeit waren ihre Blicke und Berührungen immer noch scheu und verstohlen. Würde sich alles ändern wenn sie nun offiziell zusammen waren? Welche Veränderungen würde es überhaupt geben? Tief in ihr lauerte immer noch die Sklavin die sie einst war - wie sollte sie so eine gute Domina sein?

Sie unterdrückte ein Gähnen. Die zweite Nacht mit viel zu wenig Schlaf.

Kein Wunder, dass sie gestern erst viel zu spät in der Taverne angekommen war. Anscheinend hatte sich aber Raissa, die Sklavin von Maja schon um die Getränke gekümmert, denn sie stellte gerade einen Becher Wein vor ihre Herrin, die sich angeregt mit dem Sohn ihres Gatten und Agape über Schmuck unterhielt.

Und wie Florina ausgesehen hatte! Die Arme war ihrem Gesichtsausdruck und den Bewegungen nach zu urteilen vollkommen verkatert nach dem reichlichen Weingenuss von gestern und selbst kühles Wasser vermochte ihre Leiden nicht zu lindern.
Es kam der Vorschlag auf ihr Wein zu bringen, da es doch bekanntlich gegen Kater helfen sollte. Faba war skeptisch geblieben. Wein der gegen Wein half? Sollte sich dieses bewahrheiten würden sich ihre Umsätze ins Unermessliche steigern. Ein Gedanke der einfach viel zu schön war um wahr zu sein. Aber andererseits - ausprobieren konnte man es, man denke doch nur daran wie sich diese Sitte langsam nach und nach verbreitete... leise hörte sie das Klimpern zahlreicher Denare während sie den Wein für Florina dann vorsichtshalber doch mit drei Teilen Wasser vermischte.

Nach und nach leerte sich die Taverne und füllte sich Fabas Geldbeutel. Nur mit Florina wollte es einfach nicht besser gehen. Faba ließ sie mit Quintus alleine zurück und begab sich in die Küche um das wirksamste Heilmittel herzustellen das ihr bei so welchen Härtefällen bekannt war: In Fett schwimmendes Spiegelei mit einer tüchtigen Lage Schinken auf fingerdickem Brot.

Undankbar stocherte Florina auf dem Teller herum, murrte und bat schließlich darum selber mal in der Küche schauen zu können ob sich nicht doch noch etwas anderes finden ließe. Faba versuchte ruhig und gelassen zu bleiben. Anscheinend kannte sich ja doch jeder ausgezeichnet in ihrer Taverne aus, was sollte eine weitere Person da noch einen Unterschied machen? Manchmal fragte sie sich wirklich was die alte Wirtin den ganzen Tag so getrieben hatte..

Wenn Florina jetzt allerdings in der Küche beschäftigt wäre hätte sie ein paar wertvolle, unbeobachtete Momente alleine mit Quintus. Ein herrlicher Gedanke. Sie zerrte die Verkaterte fast in die Küche, zeigte ihr schnell das Notwendige und eilte wieder hinaus um ihrem letzten verbliebenen Gast ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen.

Und da waren sie wieder, die verliebten Blicke, sanften Berührungen und beiläufige Unterhaltung ohne das Auszusprechen was wirklich durch ihre Köpfe ging.

"Ich traue mich nicht zu fragen ob sie ihren Freund schon wieder gesehen hat." sagte Faba leise. Florina hatte sich mit ihrem Liebhaber hier in Brundisium verabredet und dieser sollte nach einer Woche nachkommen. Immer wieder wanderten deren Gedanken zum Hafen und den ankommenden Schiff und sie fürchtete fast ihn zu verpassen, sollte sie einen Moment woanders verweilen.
"Ich denke nicht. Sie hat mich vorhin gefragt, ob ich ihren Liebsten gesehen hätte.."
Beide schwiegen. Insgeheim bezweifelten sie das dieser Freund noch einmal auftauchen würden - Liebesgeschichten funktionierten einfach nicht so. Und um so mehr Gedanken machten sie sich um Florina die eine derartige Möglichkeit komplett ausschloss und mehr Zeit am Hafen zu  verbringen schien als die dort wohnhaften Lastenträger. Was würde aus ihr werden? Würde ihr Vater sie ausfindig machen und holen? Wäre Agape mit ihrem geplanten Edelbordell zur Stelle wenn der jungen Frau ihre begrenzten Mittel ausgegangen waren und würde sie für ein geringes Entgelt an irgendwelches Gesindel vermieten?

Noch während der Überlegungen wurden sie von Florina unterbrochen die mit herrlich duftenden Omeletts, mit Käse gefüllten Datteln und einer scharfen Soße gewürzten Melonenstückchen auftauchte. Alles so hübsch angerichtet das es einem das Wasser im Munde zusammen laufen ließ.
Und wie es schmeckte! Ein echter Traum. Voller Begeisterung hatte Faba versucht Florina zu überreden in ihrer Taverne als Köchin anzufangen, aber noch widerstrebte es dieser... Noch. Faba lächelte und ließ sich liebevoll von Quintus mit einem Stück Dattel füttern.

Auch Florina war die Veränderung im Umgang der beiden miteinander aufgefallen und sie begann fröhlich die beiden auszufragen, ein Umstand der Faba nicht wirklich behagte, war ihr dieses ganze Gefühlschaos doch selber neu. Und als Quintus ganz unbefangen von der Drei-Tage-Regelung erzählte war Faba schon hochrot angelaufen und wollte vor Scham am liebsten im Boden versinken.

Über dem Meer ging langsam die Sonne auf und die Flüchtende verharrte um das imposante Farbenspiel zu genießen. Sie musste sich schnell an einige Dinge gewöhnen. Die Neugierde der Verliebten waren noch harmlos gewesen, aber was wäre wenn Corinus Wind von der Sache bekam? Sie würde ein wirklich dickes Fell brauchen.

Sie schaute auf das Pergament in ihrer Hand das Quintus ihr später noch in der Taverne zugesteckt hatte. Strich über das harte, wächserne Siegel von Longus. Sie verstand sich nicht wirklich auf die spitzen, juristischen Formulierungen, aber letztendlich bestätigte diese Urkunde doch das, was ihr am Herzen lag: Sollte sie die Ehe mit Quintus nach dem hiesigen Brauch eingehen, blieb die Taverne in ihrem Besitz.

In der Taverne angelegt versteckte sie das kostbare Dokument direkt unter dem losen Dielenbrett und schlüpfte in das riesige, kühle Bett im Obergeschoss.

Tief, ruhig und traumlos umfing der Schlaf sanft die Erschöpfte.

Dienstag, 10. Juli 2012

Umbrüche

Es gibt Tage die einen völlig aus den festgefahrenen Bahnen werfen und das eigene Leben völlig verwandeln können. Dieser war so einer. Eigentlich war nichts wirklich Außergewöhnliches passiert, aber drei voneinander unabhängige Ereignisse bewirkten das etwas in Faba sich veränderte...

Das erste Ereignis erfüllte sie mit Trauer, es war der Auszug der alten Wirtin am frühen Morgen. Dieses hatte sie schon seit langer Zeit geplant und endlich trug der rege Briefwechsel mit ihrer Familie in Capua Früchte. Das Transportmittel war zwar nicht wie gewünscht eine sechsspannige Kutsche die von rassigen Rössern gezogen wurde sondern nur eine einfache Sänfte, was aber vermutlich für die Gelähmte auch wesentlich bequemer auf den teils unebenen Wegen war. Und das Ehrengeleit hatte sich auf die tränenumflorte Faba reduziert, die unter dem Abschied sichtlich litt. Die Pflege der schlechtgelaunten Kranken war zwar nicht immer schön gewesen, aber sie hatte es genossen sich abends einfach zu ihr zu setzen und ein wenig zu plaudern. Neben der älteren und erfahrenen Frau kam sie sich immer so naiv und dumm vor, aber begierig hatte sie deren Geschichten gelauscht, auch wenn sie nicht immer alles verstanden hatte. Ein ganzer Haufen vermeintlich guter Ratschläge der Scheidenden schwirrten durch Fabas Kopf als diese sich vom Stadttor zurück zu ihrer Taverne begab, die sie jetzt hochoffiziell von ihrem eigenen Geld gemietet hatte - und dem Versprechen die alte Wirtin regelmäßig über den neuesten Klatsch und Tratsch in Brundisium zu schreiben.

Das zweite Erlebnis war Eifersucht und tauchte in Form einer schönen Frau am Hafen auf. Auffällig waren die Gewänder geschnitten und enthüllten mehr als sie verbargen, eine Mode die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Wie elegant der Stoff die üppigen Kurven der Frau umschmeichelte und wie sie die Blicke auf sich zog!
Dennoch machte sie etwas stutzig. Die übertriebene Drehung der Hüfte, die Art und Weise wie sie eine Spange an ihrer Sandale richtete ohne zu beachten welch verführerischen Einblick sie dabei bot... jede der Bewegungen wirkte leicht und natürlich, aber die Frau schien sich ihrer Wirkung durchaus bewusst zu sein und diese gezielt einzusetzen. Mit einer Mischung aus Bestürzung über die unverhohlene Schamlosigkeit und Bewunderung für das selbstsichere Auftreten beobachtet Faba sie gebannt, als Quintus auf einmal in ihr Blickfeld trat.
Schlagartig füllte sich dann auch auf einmal die Taverne und nahm ihr damit jede Möglichkeit mit Quintus in Ruhe zu plaudern. In der Hinsicht schien sie diese Wölfin in Frauengestalt, die sich dazugesellt und als Agape vorgestellt hatte, aber aufs trefflichste zu ersetzen - eine Tatsache die ihr absolut nicht behagte.
Fassungslos beobachtete die Wirtin das Geschehen und zum ersten mal verspürte sie Neid und plötzlich wurde ihr klar was Quintus ihr wirklich bedeutete. Zuviel um ihn einfach so an dieses Raubtier zu verlieren. Aber was konnte sie tun? Ihre Gäste hielten sie auf Trab und ihr blieb keine Möglichkeit sich zu ihm an den Tisch zu setzen.
Erleichterung durchfuhr sie als Agape später mit dem unerfahrenem Nachwuchsgladiator Emnis abrauschte und sie fragte sich ob sie ihn jemals wieder sehen würde...

Der dritte Auslöser war Leidenschaft. Diese erschien in Form eines neuen Gastes mit äußerst üppigen Kurven - vor allem rund um die Bauchregion. Florina nannte sie sich und erkundete sich sofort nach den in der Taverne angebotenen Speisen, immerhin war sie nach einer langen Reise hungrig. Faba gab ihr bestes um die anscheinend sehr wählerische Frau zufrieden zu stellen. Und der schwere Wein aus Heraclea lockerte schon schnell Zunge und Herz der drallen Blondine und sie begann Quintus und der Wirtin die Umstände ihrer Reise zu berichten. Während sie dem Wein weiterhin fröhlich zusprach und genüsslich über Fabas Vorräte herfiel, berichtete sie von ihre zwei durch den Vater arrangierten Ehen und der Flucht vor der dritten. Sie würde sich hier mit ihrem Marcus treffen und mit ihm zusammen in eine wunderbares Leben davonsegeln. Ihre Augen glühten in wahrer Leidenschaft und ihre Stimme bebte vor Vorfreude während sie die Vorzüge ihres Liebhabers schilderte.

Als die Wirtin die trunkene Florina schließlich sicher in einem der Gästezimmer untergebracht hatte und zurück zu ihrer Taverne eilte, in der Quintus sich trotz seines Geldes und seiner ganzen Sklaven eigenhändig daran gemacht hatte ihr beim Abwasch zu helfen, brannte etwas in Faba durch.

War es die Angst vor den großen, jetzt leeren Räumen oben in der Taverne und das Gefühl der Einsamkeit die das Haus nun verströmte? Furcht das diese männermordende Bestie Agape über Quintus herfallen könnte? Oder Florinas Leidenschaft die durch all die Erzählungen etwas Verdrängtes in ihr zum lodern gebracht hatte?

Sie wusste es selbst nicht als alles um sie herum verschwamm und sie zum ersten mal in ihrem Leben alle Ratschläge und Erziehung vollkommen ignorierte und sich einfach nur ihren Gefühlen - und damit auch Quintus - hingab.

"Ich würde mich freuen, wenn du drei Nächte in meinem Hause verbringen würdest".

Als sie sich erschöpft und glücklich aneinander kuschelten erinnerte er sie wieder an ein hier übliches Hochzeitsritual. Eines das auch die Macht ihres Patrons aushebeln würde, dem sie offiziell immer noch unterstand. Aber würde sie sich so nicht so von einer Abhängigkeit nur in die nächste begeben? Sie, die zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Freiheit spürte?

Was würde aus ihrer gerade frisch erworbenen Taverne werden?

Freitag, 6. Juli 2012

Einträgliche Geschäfte

Wenig klingt so beruhigend und behaglich wie das Klimpern zahlreicher schwerer Geldstücke die in einem Beutel sicher unter einem losen Dielenbrett verborgen werden. Zufrieden schob Faba das Brett wieder an Ort und Stelle und wischte über die Fugen um keine verräterischen Hinweise zu hinterlassen. Noch nie hatte sie soviel Geld besessen und ihr wurde fast schwindelig wenn sie an die hohe Summe dachte die heute noch dazu gekommen war. Für einen Teil des Geldes hatte sie sogar hart gearbeitet.

Ganz früh war sie aufgestanden um bei einem der Händler auf dem Markt einen großen Beutel frischer Maronen abzuholen. Sicher, die alte Wirtin hatte von Zaunköniglebern und Otternasen gesprochen, aber wie sollte sie dergleichen in einer doch sehr bodenständigen Stadt wie Brundisium finden? Und wie bereitete man Leber zu? Wie viele Lebern hatte eigentlich so ein Zaunkönig? Argwöhnisch beäugte sie einen kleinen Vogel der vor im ersten Morgenlicht mit einem rosa glänzenden Wurm im Schnabel die Gasse entlang hüpfte. Nein, das war nicht ihre Welt. Da blieb sie dann doch lieber bei vertrauten Dingen die ihr weniger Furcht einflössten als Otter, die im allgemeinen doch als sehr bissig galten.
Und fast sofort waren ihr die Esskastanien eingefallen die sie früher mit Terentia in den dunklen Winternächten zum Spaß zubereitet hatte. Schmackhaft, einfach vorzubereiten und ohne Bedarf an Würzmittel oder ähnlichem. Einfach nur perfekt.
Und so hatte sie den ganzen Nachmittag in der Küche verbracht, Tütchen aus Altpapier gerollt das sie einem Hafenschreiber zu einem sehr guten Preis hatte abhandeln können und genüsslich den Geruch friedlich vor sich hinröstender Maronen genossen.

Es hatte sich gelohnt. Bei dem Übungskampf am Abend riss man ihr die Maronen förmlich aus der Hand. Gut, einige gingen ihr auch verloren als sie bei dem Sieg Tamaras ausgelassen durch die Gegend tanzte. Aber warum hätte sie sich nicht freuen sollen, hatte sie doch wirklich auf deren Sieg gesetzt und Corinus grummelnd ihre Tageseinnahmen aus dem Maronenverkauf verdoppelt. Und die waren beträchtlich, überall lagen fröhlich Maronenschalen und auch einige weggekullerte Maronen herum so das die Tribüne oben mehr einem Schlachtfeld glich als der noch fast jungfräuliche Sand unten in der Arena. Aber Faba war nicht die einzige die eine Wette gewonnen hatte.... der ägyptische Händler schien ebenfalls auf die Richtige gesetzt zu haben und strich überdies noch Quintus Geld ein, dessen Wettgewinn ihm den Kauf der Gladiatrix ermöglichte.

Der Ansturm nach dem Kampf auf die Taverne und der allgemeine Durst war groß und Faba hatte allerhand zu tun, waren doch beide Tische komplett besetzt. Sie konnte zudem zwei der Zimmer vermieten, was in der Zukunft weitere Mieteinnahmen versprach.

Nur etwas bereitete ihr leichtes Herzklopfen. Farshid, Tiberius und Quintus diskutierten darüber ob es besser wäre hässlich und frei oder schön und versklavt zu sein. Quintus nutzte die Gelegenheit um eine bissige Bemerkung über Tiberius Aussehen zu machen während letzterer die Schönheit Farshids pries. Wie Gegensätzlich doch Männer sein konnten...
Aber als Farshid - wohl aus orientalischer Höflichkeit - Faba als Schönste bezeichnete wurde ihr Unwohl. Wusste Farshid von ihrer Vergangenheit als Sklavin? Hatte Maja es ihm verraten? Oder Quintus? Sein Lächeln wirkte so freundlich und harmlos.. nein, da lag kein Bosheit im Blick. Sie schmunzelte über ihre Panik und schüttelte leicht den Kopf um ihre Hirngespinste zu vertreiben. Ruhig bleiben und sich nichts anmerken lassen.

Das war jetzt alles Vergangenheit.

Über den Verkauf junger Frauen

Der Abend begann für Faba mit einem großen Schock: Corinus liess sich seinen Wein verdünnen! Er, der immer auf den puren Genuss der edlen Tropfen gepocht hatte verlangte von der völlig überraschten Wirtin diese zu gleichen Teilen mit Wasser zu mischen. Es brach ihr fast das Herz. Selbst seine Frau, die so oft mit ihm erfolglos über dieses Thema diskutiert hatte wirkte erstaunt und Faba sah sie mit tiefem Respekt in den Augen anerkennend an.
Der Rest des Abends war eher unspektakulär. Der zwielichtige ägyptische Kapitän hatte mal wieder eine exotische Ware aufgegabelt und versuchte diese wortgewaltig zu verkaufen.

"Sieh sie Dir an - diese feine Kinnlinie, diese tiefen, dunklen Augen, diese feuchten Lippen, diese Rundung der Hüfte .... das Publikum wird sie lieben!" er überschlug sich förmlich bei der Anpreisung der jungen Gladiatrix, die gelassen hinter ihm stand. Aber der Preis war mit 500 Denaren (eine Summe so riesig das sie Fabas Vorstellungs- und Rechenvermögen überstieg) sehr hoch angesetzt und Corinus und Maja blieben skeptisch. Ebenso der blond gelockte Emnis, welcher mit pubertärem Eifer gerade erst seine ersten Schritte in der Gladiatorenlaufbahn eingeschlagen hatte.

Die weibliche Konkurrenz war ihm offenbar suspekt, aber Tamara - so der Namen der jungen Frau - wusste seine unbeholfenen Äußerungen geschickt und schlagfertig zu kontern und brachte damit den jungen Hitzkopf erfolgreich gegen sich auf. Schnell wurde der Plan gefasst das ein Übungskampf zwischen den beiden in der Arena stattfinden sollte. Die beiden Lanista könnten sich dabei von Tamaras kämpferischen Qualitäten überzeugen und Harsiese spekulierte darauf das dieses ihren Preis noch weiter heben könnte.

Zur vorgerückter Stunde tauchte ein Fremder in der Taverne auf und stellte sich als Demetrios aus Makedonien, freier Gladiator Roms vor. Schnell hatte er das Geschehen um sich gedeutet und bekundete ebenfalls Interesse an der jungen Frau. Im Gegensatz zu Corinus schien ihn in erster Linie das Aussehen der Gladiatrix zu interessieren und er beschrieb, wie er sie kaum bekleidet in Rom gewinnbringend in der Arena einsetzen könnte. Faba grauste es bei dem Gedanken und auch die Kämpferin wirkte nicht wirklich erpicht darauf.

Wider Erwarten sprang der Ägypter nicht auf den Handel an sondern fing an von den hohen Liegegebühren in Ostia zu klagen. Faba stutzte. Sie hatte schon erlebt wie er völlig gleichgültig Sklavinnen weggab und so etwas wie ein Gewissen hätte sie ihm nie zugetraut. Aber womöglich waren die Liegegebühren nahe Roms wirklich so hoch.

Am Ende des Abends hatte Faba der Gladiatorin Tamara versprochen auf sie zu setzen und ihr Bild des Händlers revidiert. Sie gähnte. Wie trügerisch doch der erste Eindruck sein konnte....

Was tun wenn man keine Katze findet?

Lange hatte sie an diesem Tag mit der alten Wirtin gesprochen, bevor sie die Taverne verließ um ein wenig in Ruhe sinnieren zu können. Aber die kühlende Brise am Meer vermochte nicht ihre hitzigen Gedanken zu kühlen und ihr bei all dem Gefühlswirrwarr ein wenig Klarheit zu verschaffen. Es war soviel neues in den letzten Tages auf sie zugekommen, so viele neue Gefühle und Erfahrungen, das sie fast alles vorherige verdängt hatten. Krankheit und Tod, zärtliche Berührungen und klopfende Herzen, wilde Geschichten und rätselhafte Rattenangriffe.
Als sie sich wieder der Taverne zuwandte hatten sich schon Maja, Corinus und deren Sklavin Serena eingefunden. Offensichtlich war die alte Wirtin ihren früheren Pflichten eher nachlässig nachgekommen, da Serena sich bestens auskannte und Faba wie selbstverständlich beim Servieren half. Corinus hatte erst kürzlich ein - wohl durch die Rattenbisse verursachtes - schweres Fieber überstanden und Maja achtete sorgsam darauf, das ihr eifrig protestierender Ehemann nur verdünnten Wein erhielt.

Dennoch humpelte er in Fabas Begleitung die ausgetretenen Treppenstufen hinauf um die alte Wirtin zu besuchen. Trotz des Schocks den ihr Anblick wohl bei ihm verursachte bedankte er sich freundlich für den Schnaps und ließ sich mit einem gequälten Lächeln bereitwillig über den Tisch ziehen, als die Wirtin für die verstaubte Amphore einen derart horrenden Preis verlangte, dass damit die kompletten Ausgaben der Taverne für die nächsten drei Monate gedeckt wären. Und wie die Wirtin strahlte als er die im Abendlicht leuchtenden Münzen auf ihre Bettdecke legte! So glücklich hatte Faba sie seit ihrer Ankunft nicht mehr erlebt. An diesem Abend gingen die Getränke der Familie Granatus aufs Haus.

"Ohne das Zeug wäre ich nun tot. Halb Brundisium würde jubeln wenn ich zu den Göttern gehe." Die Worte des Lanistas erschreckten sie. Warum sollte sich jemand über seinen Tod freuen? Aber anscheinend war das auch nur ein rätselhaftes Ereignis unter vielen. Die beiden berichteten ihr mit ernsten Gesichtern wie ihre Lieferung Weizen sabotiert worden war. Ganz eindeutig mit Urin, hoch geschwapptes Kanalwasser schlossen sie vehement aus. Auch ein Pferd oder anderes Tier hätten nicht zu dem Lagerplatz gelangen können. Serena hatte von all dem leider nichts bemerkt.

Sie beschuldigten Quintus und seine Gladiatoren, aber das erschien Faba völlig abwegig zu sein: "Er ist ein so ehrbarer Mann! Ich kann mir wirklich nicht vorstellen das Quintus oder einer seiner Gladiatoren dafür verantwortlich ist. Er legt großen Wert darauf sie gut zu behandeln, warum sollten sie seine Güte also für dergleichen Gemeinheiten ausnutzen?"

Kurz dachte sie an eine rätselhafte Bemerkung des Medicus vom Vorabend, als dieser Quintus gegenüber erwähnte das er an Msanaa nicht nur Geparden- sondern auch Nagetierbisse entdeckt hatte, verdrängte den Gedanken sofort wieder. So etwas würde die Vorurteile des Paares nur bestätigen.

Mehr beunruhigte sie die Ankündigung dass die beiden eine Feier planten für die sie das Buffet bereitstellen sollte. Etwas derartiges hatte sie noch nie gemacht und übertraf das servieren geschnittener Brotscheiben mit eingelegten Oliven um Weiten. So edel wie möglich! Ihre Knie wurden weich. Hoffentlich konnte ihr die alte Wirtin dabei wenigstens mit ein paar Ratschlägen zur Seite stehen.

Nachdem ihre Gäste gegangen waren setzt sich Faba wieder an den Kai und blickte melancholisch auf die Wellen. Hätte sie den beiden etwas sagen sollen? Es hätte Quintus geschadet, selbst wenn sich die Bemerkung als völlig haltlos erweisen würde. Sie verdiente gutes Geld mit ihren Gästen, warum also die einen gegen die anderen aufbringen? Vor allem wenn es ein so lieber und freundlicher Gast war... nein, es wäre falsch gewesen.

"Domina, kann ich helfen?" Serenas Stimme. Geistesabwesend bot Faba ihr den Platz neben sich an. Diese hatte sich schon vor Stunden mit der Begründung nach der Katze suchen zu wollen aus der Taverne geschlichen und war jetzt offensichtlich auf dem Rückweg, wenn auch ohne Katze.

Irgendwie kam Faba die Situation sehr vertraut vor: "Dann solltest du am besten mit einer hübschen Jagdgeschichte auftauchen." schlug Faba vor um Serenas lange Abwesenheit zu erklären. "Wer weiß auf welchen Baum du klettern musstest um sie zu retten.."

Serena grinste zum Mietshaus hinüber: "Oh, der Baum heißt Insula." Faba lachte. Den Blicken und der Aussagen der Sklavin nach hatte es ihr wohl in einer der Gladiatoren des Ludus Calpurnianus angetan und sie hegte Hoffnungen, von diesem eines Tages freigekauft zu werden. Übermütig sprudelte alles aus ihr hinaus und Faba lächelte, konnte sie alles doch nur zu gut nachvollziehen. Neugierig beobachtete sie Serenas Gesicht als sie einen Schuss ins Blaue wagte und wie beiläufig über Africa zu sprechen begann, der Heimat des Nubiers Msanaa.

Aber sie lag falsch. Ein Syrer namens Thalab war es also.. ein Gladiator den Quintus schon das ein oder andere Mal erwähnt hatte.

Als sie den beiden viel Glück wünschte meinte sie es aus ganzem Herzen. sie setzte schon an um Serena zu sagen das sie selbst als einfache Sklavin geboren wurde um sie in ihrer Hoffnung zu bestärken, aber irgendetwas hielt sie im letzten Moment zurück. Konnte sie jemandem etwas derart Intimes anvertrauen der gerade so bereitwillig so viel preisgegeben hatte? Sie würde erstmal abwarten, noch kannte sie Serena kaum.

Neu: Jetzt mit Bonuskatze!

Der blutige Kampf in der Arena war zuviel für sie gewesen. Zuerst hatte sie schon die aufpeitschende Ansagen Corinus in freudige Aufregung versetzt, welche ihre genau einkalkulierte Wirkung nicht verfehlte, auch wenn seine Stimme seltsam schwach klang und er irgendwie krank aussah. Und dann der Einmarsch der Kontrahenten! Der vor Aufregung rasende Gepard Dolor, der nur mühsam von seinem Venator Brutus gebändigt wurde. Mit großspurigen Worten hatte dieser die ohnehin schon tobende Menge geschickt noch weiter aufgestachelt, während die Katze wie wahnsinnig an der Leine riss. Und dann war da noch der riesige Nubier Msanaa, mit einer Hautfarbe so dunkel wie der fruchtbarste Ackerboden, der ruhig und gelassen den Jubel der Menge entgegen nahm und sich nicht sonderlich beeindruckt von dem zornigen Gebaren seines tierischen Widersachers zeigte.
Der Kampf war brutal und schon schnell verfärbte sich der helle Sandboden der Arena tiefrot. Die anmutige Katze und der erfahrene Retarius zeigten keine Gnade und beide waren schnell von tiefen Wunden gezeichnet.
Ihr wurde schwindelig und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, ohne das sie den Blick von dem grausamen Geschehen abwenden konnte. Bei jedem der zahlreichen Treffer stockte ihr Atem und mehr als einmal schien ihr schwarz vor Augen zu werden als das Blut nur so in alle Richtungen spritzte. Als schließlich das anmutige Raubtier von dem Dreizack des Gladiatoren aufgespießt und als lebloses, blutiges Bündel zu Boden stürzte war Faba viel zu benommen fassungslos um sich über den Sieg zu freuen.
Die freundlichen Worte, welche Tiberius und der sanfte, dunkelhaarige Fremde an sie richteten, bekam sie kaum mit und auch Quintus erntete nur ein trauriges Lächeln, als sie ihm leise und verwirrt zum Sieg gratulierte. Selbst als sich die Arena schon längst geleert hatte, blieb sie noch lange alleine sitzen um das Gesehene zu bewältigen.

Als sie später in der Taverne eintraf hatten sich ihre Gäste schon selbst bedient. Was wahrscheinlich auch das beste war, da Faba immer noch nicht ganz zu sich gefunden hatte und zahlreiches an dem Abend nicht wirklich mitbekam und auch viele der an sie gerichteten Sätze einfach überhörte. Es war dieser Abend, an dem der Medicus ein weiteres Mal die knarrenden Treppenstufen zum ersten Stock der Taverne hochstieg und ein zweites Mal die Wirtin untersuchte. Der laute, verzweifelte Schrei war im ganzen Hafengebiet zu hören, als Tiberius seine Diagnose bestätigt sah und die Wirtin über ihr Schicksal informierte.
Mit großer Beklemmung sahen sich Brutus, Quintus und Faba unten in der Taverne an. Der Rest des Abends war die Stimmung sehr schwermütig und auch die Schilderung über die Freuden frisch geborener Katzenbabys des charismatischen Tierführers vermochte die melancholische Stimmung nicht zu heben. Der Gedanke an den allgegenwärtigen Tod schien sie für heute fest im Griff zu haben.
Ihre Stimmung hob sich ein wenig als der Medicus und der Venator sich verabschiedeten und sie mit dem Lanista zurückließen. Wie freundlich und sanft dieser Mann war, der doch letztendlich mit dem Tod anderer sein Geld verdiente...

In dieser Nacht schlief sie sehr schlecht und warf sich unruhig träumend auf der dünnen Decke vor dem Herd hin und her.

Von Ratten und Katzen

Am nächsten Tag füllte Faba ihren besten Wein in einen Becher, stellte einen kleinen Teller mit frischem Brot, Oliven, Käse, Schinken und Trauben zusammen und machte sich damit auf den Weg zu dem kleinen Schrein, den sie hinter der Taverne ausfindig gemacht hatte. Es war wahrscheinlich unfreundlich von ihr, aber sie wollte die Götter darum bitten das sich der Medicus irrte. Er war gewiss ein guter und gelehrter Mann, aber das Schicksal das seine Diagnose der Wirtin aufbürdete.. nein, das war zuviel.
Sie hatte kaum das Haus verlassen als sie schon ein ausgelassenes Kichern vernahm. Maja und ihr Mann Corinus turtelten ausgelassen am anderen Ufer des Kanals herum. Freundlich erwiderten sie Fabas Gruß, aber trotzdem hatte sie das Gefühl die beiden bei etwas wichtigem zu stören und die Ursache des doch sehr nervösen Verhaltens der beiden zu sein. Schnell verabschiedeten sie sich und traten in ihr Anwesen ein, während Faba vor dem Schrein niederkniete um die Götter um ihren Segen anzuflehen. Dumpf vernahm sie spitze Schreie hinter der geschlossenen Tür und schmunzelte. Die Wirtin hatte schon so etwas über das Pärchen angedeutet und es freute sie, das Amors vergiftete Pfeilspitzen nicht nur Unheil anrichteten. Sie fing an die rituellen Formeln aufzusagen als der Lärm trotz der dicken, dämpfenden Holztür lauter wurde. Trotz dieser Ablenkung versuchte sie ihr Gebet wieder aufzunehmen als schnelle Schritte hinter ihr erklangen. Sie drehte sich um und erblickte einen gut durchtrainierten gebräunten Mann, der mit nichts anderem als einem sehr knappen Lederschurz bekleidet war. Grüssend neigte er den Kopf und war auch schon weg geeilt, bevor sie den Gruß erwidern konnte.

Was für ein Lärm! Sie versuchte den Anblick des muskulösen, beinahe nackten Körpers zu verdrängen und vollendete das Opfer. Nachdenklich stand sie auf und klopfte sich den Straßenstaub von ihrer abgetragenen Tunika. Die Schreie aus der Nachbarschaft wurden unerträglich laut und kopfschüttelnd betrat sie wieder die Taverne.

Kurze Zeit später stürzte Majas Sklavin Serena in die Taverne. "Dominus schickt mich um Alkohol zu holen, einen starken, mit dem man die Rattenbisse säubern kann." Überrascht schaute Faba sie an. "Wie kommt er denn daran? Einen Pflaumenschnaps hatte ich irgendwo mal gefunden.." Sie begann wild in dem großen Vorratsschrank der Wirtin herumzuwühlen.

"Es waren ein paar Ratten im Ludus. Aber sie sind schon wieder weg." Vor Aufregung noch ganz durcheinander verwirrten Serenas Sätze mehr als das sie aufklärten.

In der hintersten Ecke des Schrankes stießen Fabas forschende Fingerspitzen endlich auf das Gesuchte. Unter einer dicken Staubschicht fand sie eine uralte, gut verschlossene Amphore die sorgsam von der Wirtin mit "Flaumenlikeur" beschriftet war, offensichtlich ein Teil des wohl gehüteten Privatvorrats der Wirtin. Faba drückte sie ohne zu Zögern in die Hand der Sklavin.

Sicherheitshalber folgte sie Serena zu Corinus Anwesen um ihm ihre Hilfe anzubieten, aber da dieser gerade unbekleidet war und von Maja und Serena im Bad versorgt wurde, einigte man sich durch Rufe darauf das Corinus sich später persönlich bei der alten Wirtin melden würde um mit ihr den Preis für den Schnaps auszuhandeln. Faba lächelte. Das war zwar nicht das was der Dominus ursprünglich beabsichtigt hatte, aber die Wirtin würde sich über ein wenig Besuch gewiss freuen. Und sie kannte das Glänzen in ihren Augen, wenn sie über die abgewetzte Oberfläche der Münzen strich, die ihr Faba nach Abschluss des Abends brachte.

Zurück bei der Taverne stieß sie fast mit Quintus zusammen und sie begrüßte ihn mit sich vor Freude rötenden Wangen. Nur zu gerne brachte sie ihm einen Wein und leistete ihm in der warmen Abendsonne ein wenig Gesellschaft. Quintus berichtete ihr das Longus wohl einen Geparden kaufen wollte und sofort erschien vor Fabas geistigen Augen das Bild dieser großen, schlanken Hunderasse mit den geifernden Lefzen und den vor Hass glühenden Augen. Stürmisch bedrängte sie ihn mit neugierigen Fragen, nur um festzustellen das Geparden dann doch nur große gefleckte Katzen sind. Bildlich beschrieb er ihr diese exotischen Tiere und versprach ihr auch, ihr beizeiten die Löwen des Statthalters zu zeigen. Und wie er erzählen konnte! Um sie herum nahm auf einmal die Welt der Gladiatorenkämpfe Gestalt an und Faba fieberte aus ganzem Herzen mit, als er ihr den Kampf Thalabs gegen Tisemenos schilderte. Retarius, Murmillo, Thraker... alles hatte einen eigenen Namen, eine ganz bestimmte Bewaffnung und spezielle Rüstungen und Vorzüge.

Er beschrieb das Leben der Gladiatoren und damit indirekt auch sein Leben. Nach und nach entwickelte sich aus dem ursprünglich unbefangenen Geplauder ein ernsthaftes Gespräch, ein zaghafter Austausch von Gedanken, ein vorsichtiges Erkunden von Einstellungen, Gefühlen und Wünschen.

Und dann fasste sich Faba ein Herz und berichtete ihm von ihrer niederen Geburt. Von dem Patron, welcher offiziell die Macht über sie hatte. Aber entgegen aller Befürchtungen verurteilte er sie deswegen nicht sondern blieb bei seiner hohen Meinung von ihr. Lange dauerte die Unterhaltung, nur durch eine kleine Katze unterbrochen welche selbstbewusst ihre Aufmerksamkeit einforderte. Als die beiden über das weiche, schwarze Fell streichelten berührten sich ihre Hände und sie lächelten. Sie teilten sich die Weintrauben, wobei er sie sanft damit fütterte, etwas für sie völlig neu war. Die Einladung für die Nacht, die er scheu bei der Verabschiedung aussprach, schlug die innerlich völlig aufgewühlte Faba aus.

Drecksarbeit

Mit einem feuchten Schwamm wischte Faba der alten Wirtin über den ehemals wohlgerundeten, jetzt aber schon sehr platt gelegenen nackten Po. Sie warf den dreckigen Schwamm in den Eimer mit Waschwasser, bugsierte mit der Fußspitze den jetzt vollen Nachttopf in die Ecke und schob sanft die schmucklose Unterwäsche wieder hoch. Vorsichtig half sie der Frau wieder eine bequemere Position einzunehmen und deckte sie liebevoll mit der dünnen Decke zu. Beschämt schlug die Bettlägerige die Augen nieder, während Faba sich um ein aufmunterndes Lächeln bemühte, was ihr aber in Angesicht der großen Müdigkeit nach diesem anstrengendem Tag kaum gelang.

Sie hatte den Tag genutzt um Speisen und Getränke für die Taverne zu erstehen. Als sie mit den Händen voller Einkäufe zurückkam, hatte sich schon eine große Menschentraube am Hafen gebildet. Verschüchtert durch all die reich gewandeten und wichtig aussehenden Leute hatte sie Maja gegrüßt und war sich auf einmal schlagartig der forschenden Blicke bewusst, die sich neugierig auf sich richteten, speziell jene die sie förmlich auszuziehen schienen. Schnell verschwand sie in der Taverne und packte mit hochrotem Kopf die Einkäufe aus.

Faba hatte kaum Gelegenheit die Tische und Bänke vor der Taverne mit einem Lappen abzuwischen, als schon die ersten Gäste eintrafen und lautstark nach Speis und Trank riefen. Die Zeit schien nur so zu fliegen, während die unerfahrene Aushilfswirtin hin- und her flitzte um möglichst allen Wünschen nachzukommen. Was war mit der stillen Hellhaarigen in der Ecke? Hatte sie tatsächlich deren Bestellung überhört oder wollte diese einfach nichts? War das eine Hand die da gerade frech ihr Hinterteil berührte? In dem ganzen Gedränge rund um den Tisch war sie sich nicht sicher und vergaß es schon in der nächsten Sekunde wieder als auf einmal einer der Leute, Tiberius, in die Taverne trat und sich der Treppe zuwendete die ins Obergeschoss führte. Schnell huschte sie hinterher um die Wirtin zu schützen, nur um festzustellen das der Eindringling der Medicus der Stadt war und nur die Kranke untersuchen wollte. Das Ergebnis was er ihr später in der Küche zuraunte war niederschmetternd:
"Ein Wirbel ist gebrochen, sie wird ab der Taille gelähmt bleiben". Faba hoffte aus ganzem Herzen das er mit dieser Diagnose falsch lag, immerhin wollte er ja in den nächsten Tagen noch einmal vorbeikommen um weitere Übungen mit ihr zu machen. Er sah nicht so aus als ob er an seinen Fähigkeiten oder seiner Feststellung zweifelte, aber vielleicht irrte er dieses mal? Glücklicherweise hatte er der Wirtin nichts von seiner Vermutung berichtet.
Was ihn nicht daran hinderte vor die Taverne zu den anderen zu treten und laut die Ergebnisse seiner Untersuchung zu verkünden. Die Bestürzung war wie zu erwarten groß und sobald diskutierte man die etwaigen Folgen, ging aber schon schnell zu anderen, erfreulicheren Themen über. Ihr schwirrte der Kopf.
Nach und nach verschwand der größte Teil des Andranges und es kehrte etwas Ruhe ein, was der erschöpften Faba erlaubte sich zu den Gästen hinzuzugesellen und an den lebhaften Gesprächen teilzunehmen.

Nachdem sie sich vergewissert hatte das die Wirtin nichts mehr benötigte nahm Faba leise den Nachtopf und den Wassereimer und verließ auf Zehenspitzen den Raum um beides in den mondbeschienenen Kanal auszuleeren. Müde füllte sie in beide Behälter frisches Wasser aus dem Brunnen um sie wieder still in dem Zimmer der jetzt schon laut schnarchenden alten Wirtin zu deponieren. Mit letzter Kraft schleppte sie sich die Treppe hinunter in die Küche und bettet sich vor dem warmen Herd zur Ruhe. Dabei wanderten ihre Gedanken unwillkürlich zu Quintus, der sich ihr als Besitzer des Ludus Calpurnianus vorgestellt hatte. Freundlich und geduldig hatte er ihre Fragen beantwortet und ihr nebenbei auch noch erklärt was denn nun ein Lanista ist. Sie schmunzelte. Er war einer. Der Besitzer einer Gladiatorenschule in dem Kämpfer für die Arena ausgebildet werden. Wie aufregend... und Rom hatte er auch schon besucht. Zweimal. Was für ein spannendes Leben musste er führen....

Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein.

Tiefe Einschnitte und traumhafte Aussichten

Zufrieden schlug sie ihre Zähne in das Stück Fleisch. Heiß und fettig troff der Bratensaft ihre in vollster Zufriedenheit nach oben gezogenen Mundwinkel hinab, ihren Hals hinunter bis zum üppigen Dekollete. Das war weitaus mehr als sie selbst in ihren kühnsten Träumen zu hoffen wagte. Ihr Blick wanderte hinüber zu dem kleinen Hausschrein in dem sie ein mindestens ebenso schönes Stück Fleisch den Göttern als Dank angeboten hatte. Ja, das hatten diese sich wirklich redlich verdient. Genüsslich leckte sie sich die Finger sauber, ließ ihre spitze Zunge über die vollen Lippen gleiten und nahm anschließend einen tiefen Schluck kaum verdünnten Weines zu sich.
Eigentlich hatte sie gar nicht mehr damit gerechnet, nach der langen Wartezeit in der Taverne noch überhaupt etwas an diesem Tage zu sich zu nehmen.

Sie war in der warmen Mittagssonne schon fast eingenickt, als eine Domina in edler Kleidung sie ansprach und sich zu ihr setzte. Maja Minerva Granatus, Frau des ersten Lanista der Stadt. Was für ein Titel. Sie war sich zwar immer noch nicht sicher was genau jetzt ein Lanista war - sie vermutete eine Art Politiker (anscheinend hatte man die Schullektüre Terentias wohl gut zensiert, das so welche offensichtlich selbstverständliche Sachen nicht darin behandelt wurden) - aber der Name und die feine Art der Schneiderin aus Rom (ROM!) hatten sie tief beeindruckt. Sie schluckte. Umso mehr war sie für das anscheinend wirklich ehrliche Interesse dieser freundlichen Domina an ihr geschmeichelt gewesen, auch wenn sie sich ihrer einfachen Herkunft wegen doch ein wenig genierte und ihre Auskünfte eher lückenhaft waren. Aber Bedauern über das Vergangene hilft bekanntlich nicht, wenn ja noch eine ganze Zukunft vor einem liegt.

Diese sollte sich unversehens mit dem Ausruf einer Sklavin ändern. Als sich trotz der wirklich langen Wartezeit immer noch niemand aus der Taverne blicken ließ, hatte die Domina kurzerhand diese herbeigerufen, um sie in die Taverne zu schicken damit sie Getränke für die vom ganzen Reden schon ausgedörrten Münder besorgte.
"Die Wirtin - sie liegt am Boden - sie atmet - aber sie ist nicht bei Bewusstsein"! stotterte die Sklavin als sie wieder hinausstürzte. Sofort eilten alle hinein und sahen auch schon im Nebenraum die Wirtin auf dem Boden liegen. Instinktiv befeuchtete Faba ihr Handgelenk mit der Zunge und hielt es vor die Nase der Wirtin. Schwach, ganz schwach konnte sie die Atemzüge erahnen, während Maja niederkniete um den Kopf der Wirtin zu halten. Und dann spürten beide nur noch die kühle Nässe eines Schwalls Wasser den die Sklavin schwungvoll über die kleine Gruppe geschüttet hatte. Aber es wirkte, die Wirtin kam wieder zu sich und konnte auf ihr Zimmer gebracht werden.
Glücklicherweise hatte sie sich nichts gebrochen, aber es sah nicht so aus als ob sie die nächste Zeit wohl erstmal ans Bett gefesselt bliebe. Trotzdem war Faba durch Majas nächste Frage mehr als überrascht: "Würdest Du vielleicht in der Taverne aushelfen?"

Zufrieden blickte Faba auf den abgenagten Knochen vor ihr. Bei den Göttern. Jetzt hatte sie erstmal ein Dach über dem Kopf, einen warmen Schlafplatz vor dem Herd und reichlich zu essen und zu trinken. Und das alles ohne ein einziges As ausgegeben zu haben. Nun, so richtig kochen würde sie noch lernen müssen (der Braten hier war ja schon einmal ein schmackhafter Start), aber sie konnte ja jederzeit die Wirtin um Rat fragen. Und diese wirkte über dieses Arrangement auch nicht wirklich unglücklich, immerhin kümmerte sich Faba um sie während sie noch bettlägerig war und das lästige Tagesgeschäft wurde ihr auch abgenommen.

Ein perfektes Geschäft - Was für eine Zukunft!

Praeludium

Sie schloss die Augen. Überall waberten zahlreiche Gerüche und Aromen die alle gleichzeitig auf sie eindrangen. Schweiß und Urin, Blumen und exotische Gewürze, Wein und der Dunst von altem Bratenfett, ranzigem Lampenöl und Talg. Aufdringlich schwebten die Gerüche aus allen Richtungen und buhlten um ihre Aufmerksamkeit. Durch die dünnen Ledersohlen ihrer abgetragenen Schuhe spürte sie die harten, grob behauenen Steine der Via Appia, welche sie in diese vor Leben nur so pulsierende Stadt Brundisium geführt hatte.
Um sie herum herrschte eine fröhliche Kakophonie von Lärm. Sie hörte Tiere brüllen, Menschen fluchen, Karren rumpeln, dumpfe Hämmerschläge aus den Häusern der Handwerker , das Geschrei von Händlern und flüchtige Gesprächsfetzen aus zahlreichen Unterhaltungen.
Sie streckte den Arm aus, stützte sich an die von der sengenden Mittagshitze der Sonne erhitzte Außenmauer eines Gebäudes. Ihre Finger fühlten die rauen Stellen an denen die Farbe der Fassade schon abgeplatzt war und unter ihrer verschwitzten Hand noch weiter wegzubröckeln drohte.

Sie dachte an das alte, abgelegene Landgut in Apulien wo sie als Tochter einer Haussklavin das Licht der Welt erblickte. Viel zu früh und daher so klein, das der Dominus Marcus Terentius Neo ihr scherzhaft den Namen Faba - Bohne - gab. Aber die gute Laune hielt nicht lange, noch am selben Tage kam seine eigene Frau mit einer Tochter - Terentia - nieder und hauchte kurz darauf im blutdurchtränkten Wochenbett ihr Leben aus. Die beiden Neugeborenen wurden Milchschwestern und schnell auch unzertrennlichen Freundinnen.

Ganz in der Nähe hörte sie auf einmal auf das vertraute, heisere Blöken eines Ochsen.

"Stirb Minotaurus! Ich bin Theseus, Sohn des Ägeus, und gekommen diese Jungfrau vor deinen schrecklichen Gelüsten zu bewahren!" Mit einem Ast in der Hand wedelte Faba temperamentvoll vor der beringten Nase des größten und schwersten Ochsen des Hofes herum. Terentia schob sich Schutz suchend hinter sie und umschloss das Stück Bindfaden fester mit ihrer Hand, als der Ochse die beiden Sechsjährigen mit seinen großen, dunklen Augen musterte. Er schnupperte an dem Ast und verscheuchte eine aufdringliche Fliege mit den Ohren.
"Winsle nicht um Gnade, du grausames Ungetüm! Wir wissen von deinen schändlichen Taten!" Nur der beherzte Griff Terentias um Fabas Handgelenk konnte in letzter Sekunde verhindern das diese tatsächlich den Stock gegen die weiche Schnauze des Tieres stieß, welche dieses gerade mit der großen, feuchtwarmen Zunge gründlich abschleckte.
Mit sich und der Welt zufrieden knickte der Ochse die Vorderbeine ein und ließ seinen schweren Körper gemächlich auf die Weide nieder. "Sieg! Die Götter sind mit uns, Ariadne! Das Monster liegt danieder!" kreischte Faba fröhlich, packte ihre beste Freundin und begann wild um das Rind herumzuhüpfen, welches herzhaft die letzte Mahlzeit hochrülpste um sie genüsslich wiederzukäuen.

"Terentia! Faba! Habe ich euch nicht gesagt das ihr von der Weide bleiben sollt! Und bleibt ja von dem Ochsen weg! Elende Rindsviecher..." brummelte der Dominus als er zusammen mit einem Fremden näher trat, offen lassend ob er damit die beiden Mädchen oder das Weidevieh meinte. "Kommt her Mädels, ich habe euch etwas aus der Stadt mitgebracht."
Er wartete bis die beiden über den Zaun geklettert und in der Hoffnung auf Leckereien wild auf ihn zugestürmt waren bevor er weitersprach: "Dies ist Peleus, der ab jetzt dein Hauslehrer sein wird, Terentia. Er wird dir lesen, schreiben, musizieren und hoffentlich auch ein gutes und sittliches Benehmen beibringen." Er sah den graubärtigen, verdrossen dreinblickenden Griechen missmutig an. "Gerade letzteres scheint mir sehr wichtig zu sein. Immerhin steht ja in ein wenigen Jahren auch deine Hochzeit bevor und du sollst mir keine Schande bereiten. Faba, in anbetracht dessen das du Terentia später als Leibsklavin dienen sollst darfst du dem Unterricht folgen. Solange du deine vorlaute Klappe hältst und nicht störst!"

Laut rumpelte ein Ochsenkarren an Faba vorbei. Im letzten Moment konnte sie ihre Zehenspitzen vor den schweren, eisenbeschlagenen Rädern in Sicherheit bringen. Sie öffnete die Augen einen Spalt nur um sie erschrocken zu schließen, als sie sah das eine Leiche achtlos auf die Ladefläche geschmissen worden war. Sanft waberte ihr der Geruch des Todes entgegen. Sie würgte und kämpfte mühsam mit ihrem Mageninhalt und schmerzhaften Erinnerungen.

Terentia, fiebernd, die Haut mit so vielen Pusteln und Blasen bedeckt das sie mehr einem Gebäckstück als einem menschlichen Wesen glich. Die schwache, zitternde Hand in ihre gelegt. Die heisere, gebrochen Stimme flüsterte kraftlos: "Faba... ach, Faba... Vater wird enttäuscht sein... so traurig... wenn ich in zwei Monaten nicht..", sie hustete rasselnd und rang nach Atem, "Was wird sein Freund sagen wenn... ich nicht da bin? Faba, die Hochzeit... die Feier..." Sanft drückte Faba ihr einen Kuss auf das entstellte Gesicht um sie zu beruhigen und warf dem Dominus, der seit Stunden still und von der Kranken unbemerkt am Bettesrand gesessen hatte, einen langen und verzweifelten Blick zu.
"Es wird alles gut werden, Terentia. Heute hat der Dominus den Göttern eine weitere Ziege geopfert damit du wieder gesundest Du hättest sie sehen sollen, ein ganz prachtvolles Tier, schneeweiß und ohne jeden Makel. Sie wird den Göttern gefallen haben" Liebevoll strich sie Terentia über das einst so schöne, jetzt stumpf und strähnig gewordene Haar. "Ruh dich nur ein wenig aus und sammle neue Kräfte. Er wird gewiss auf dich warten.. und dann feiern wir richtig!"
Bittere, stille Tränen kullerten über Fabas blasse Wangen als sie das hoffnungsvolle Lächeln sah das sich langsam auf dem früher so fröhlichen Gesicht ausbreitete. Für einen kurzen Moment schienen die Schmerzen aus deren Zügen gewichen und Terentia wieder die alte zu sein. Dann brach ihr Blick.

Wie ein böser Fluch verbreitete sich diese rätselhafte Krankheit im ganzen Haushalt und forderte unbarmherzig ihren tödlichen Tribut. Terentia war nur der Anfang gewesen, Fabas Mutter Flavia die sich aufopfernd mit ihrer Tochter um ihr Ziehkind gekümmert hatte und selbst der allmächtig scheinende Dominus hatten dem nichts entgegenzusetzen.

Als sich nach drei Monaten erstmals wieder andere Menschen auf das Landgut wagten waren drei Fünftel des Haushaltes tot und Faba und die restlichen Überlebenden, die das ganze nur wie ein Wunder unbeschadet überstanden hatten, waren nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie wurden alle zusammen gerufen und auf dem Hof versammelt.

Das Landgut ging an entfernte Verwandte der Familie und die Dienerschaft sollte bis auf die unbedingt notwendige Grundbesetzung zur Bestellung des Hofes verkauft werden. Es folgte eine lange Vorlesung der Namen und die Einteilung in das jeweilige Schicksal.
Ganz am Schluss fiel der Name "Terentia Faba". Sie schluckte. Der Namenszusatz war ihr neu und er bedeute.... jetzt fiel das Wort: "Liberta".
Sie war per Testament freigelassen worden! Ihr ganzer Körper begann zu zittern und sie ließ sich schwer auf den Boden fallen.
Die neuen Besitzer wollten ihr kein Geld zur Freilassung schenken um ihr den Aufbau eines Lebensunterhaltes zu ermöglichen, aber man gestatte Faba ihr Peculium zu behalten. Man machte sie nochmals darauf aufmerksam, dass sie rein rechtlich noch ihrem neuen Patron unterstand und zum Gehorsam verpflichtet war, aber der Tonfall machte mehr als deutlich dass man darauf keinen großen Wert legte.
So stand sie einen Tag später vor dem geschlossenen Tor des Landgutes, eine überflüssige Freigelassene, die man nicht noch mit durchfüttern wollte. Sie drehte sich nicht um, kniete nieder und bat um den Segen Mercurs, bevor sie sich festen Schrittes die Straße entlang zu der nächsten Stadt auf den Weg machte, in der Hoffnung das die Götter schützend ihre Hand über sie halten würden.

Plötzlich wurde Faba gegen die Wand des Hauses gestoßen und sie riss erschrocken die Augen auf. Eine Sänfte war soeben an ihr vorbeigeeilt und einer der Träger hatte sie unsanft aus dem Weg geschubst. Sie klopfte den Staub und den Dreck der Strasse von ihrer zerschlissenen Tunika und zog das fadenscheinige Tuch, welches sie um Schultern und Frisur gelegt hatte, enger um sich. Scheu richtete sie ihren Blick von der farbenfroh gekleideten Menschenmenge zu Boden und richtete ihre Schritte zum Herzen der Stadt, dem Hafen. Überall wimmelte es vor Lebewesen und unter lautem Geschrei wurden Schiffe gelöscht und beladen, Waren bei den zahlreichen Marktständen verkauft und Grüße, Gespräche und Gerüchte zwischen den Menschen ausgetauscht.
Mit knurrendem Magen bewunderte sie die Auswahl der Händler und ließ ihre Blicke begehrlich über das zahlreiche Angebot frischer Obst- und Gemüsesorten wandern und sog den Geruch der exotischen Gewürze genüsslich ein. Was würde sie jetzt nicht alles für einen warmen Eintopf geben! Während sie die wenigen Münzen in ihrer Tasche abzuzählen begann, fiel ihr Blick auf das Schild der Taverne hinter dem Markt. Gerade noch für sie erschwinglich lockte es mit warmen Speisen und kühlen Getränken. Wenige Atemzüge später hatte sie schüchtern auf einer der Bänke Platz genommen und wartete geduldig auf die Bedienung.