Sonntag, 29. Juli 2012

Bildungslücken

Wütend kratzte der Griffel über das weiche Wachs der Schreibtafel und förderte dort immer mehr wackelige, widerspenstig in alle Richtungen weichende Buchstaben zutage. Die alte Wirtin wurde es nicht leid ihr Schriftbild und ihre "Ottergraphie" zu bemäkeln und so nutzte sie ihre freie Zeit, um an sich und dieser verhassten Fähigkeit zu arbeiten. Das Lesen gelang ihr mittlerweile ganz gut, sie schaffte es sogar die Lippen mit äußerster Willensanstrengung ruhig zu halten und auch ihre Zunge auf der richtigen Seite von ihnen zu positionieren. Ein grimmiges Grinsen huschte über ihre sonst so gefälliges Gesicht - Terentia hatte sie früher immer wieder aufgezogen dass sie beim Lesen auf diese biss und die Zungenspitze fröhlich im Takt der Buchstaben hin- und herhüpfte. Das Schreiben jedoch - das war eine echte Folter. Nur das Versprechen der alten Wirtin gegenüber und die Furcht vor der Entdeckung dass die Frau des Lanistas schlechter schrieb als ein siebenjähriges Kind wirkten Wunder.

Und das Gefühl von zielloser Wut half auch. Sie hatte eben Serena gestellt und auf ihr Verschwinden von gestern angesprochen.
"Ich habe Dich in eine missliche Lage gebracht? Inwiefern denn?" hatte sie noch halb verträumt erwidert und dann tatsächlich einen Moment nachdenken müssen. Missmutig stieß sie den Griffel tief in das duftende Wachs. Und die endgültige Antwort befriedigte sie auch nicht wirklich. "Verzeih aber - nun ja, Dominus versprach mir Dir auszurichten das er mich fortgeschickt hatte um den Gästen die Insulae zu zeigen". Wahrscheinlich log Serena noch nicht einmal. Corinus wäre das durchaus zuzutrauen - und nichts war für eine Taverne schadhafter als unzufriedene Gäste die dann womöglich noch ihr Leid in alle Welt herumposaunten. Aber war es tatsächlich in böser Absicht geschehen? Nachdenklich wischte sie sich einen Krümel Wachs von der Wange. Sie wusste es nicht. Der Mann war in seiner Launenhaftigkeit unberechenbar. Letztendlich hatte sie der Sklavin dann einfach zwei Sesterzen für ihr Peculium gegeben - sie würde ihre Aussage nicht überprüfen können und das Trinkgeld war bei dem Ausleihen fremder Sklaven durchaus üblich.

"Salve Faba". Sie schaute zu Agape auf und versteckte die Wachstafeln sofort, während sie spürte wie das Blut in ihre Wangen schoss. Die Hetäre hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und verzichtete zum ersten mal in Fabas Gegenwart auf ihre übliche Jagdgebaren. Bei einem Becher Wein waren die beiden schnell in eine angeregte Unterhaltung über ein Fest zu Ehren von Dionyseus - sie nutzte den griechischen Namen für Bacchus - vertieft, welches Agape plante. Ein herrlicher Gedanke - sie würde gewiss viel Wein dafür benötigen und Faba plante sowieso, am Ende des Monats einen ihrer Weinlieferanten zu besuchen um die Preise neu zu verhandeln. Wenn sich die beiden zu einer Großbestellung zusammen tun würden könnte man den Gesamtpreis weiter drücken. Wieder hörte sie das Prasseln frisch geprägter Münzen in ihrem Kopf. Leider sollte das ganze aber erst nach dem Fest von Corinus stattfinden - sie nutzte die angesichts ihrer Tätigkeit äußerst interessante Formulierung "Ich will ihm gefällig bleiben". Wie auch immer, dieses ominöse Fest war zwar schon seit Monaten angekündigt, aber schien in seiner Planung nicht weiter voran zu schreiten. Wirklich schade.

Sie wurden von den beiden Gladiatoren unterbrochen die wie zwei völlig verschüchterte Jungen verlegen zu ihnen getrottet waren. Höflich erkundigten sie sich nach dem Haus von Agape, ohne dessen Besitzerin zu erkennen die ihren Blick wohlwollend über die muskulösen Körper gleiten ließ.

"Mein Bruder hier haben sozusagen eine Lehrstunde bekommen geschenkt von Dominus Granatus" begann Thalab, nachdem die Hetäre sich vorgestellt hatte. Schließlich attestierte er Msanaa "ge-fähr-li-che Lücken in Sachen von Bildung in die-ser Hinsehen." Dieser widersprach ihm: "Warum ich mir sollen ansehen Fell? Reichen nicht wenn erklären was für Fell?". Und es schien auch nicht der einzige Punkt zu sein in dem sich die beiden unklar waren: "Corinus nix zahlen. Ich verstanden hab das soll bezahlen unsere Dominus."

Erst einige heftige Wortwechsel später fand sich heraus was eigentlich passiert war. Thalab hatte anscheinend ein Wort benutzt das Msanaa nicht geläufig war und Corinus hatte darauf hin in einer wohl missverständlichen Formulierung gesagt das Agape ihm da wohl weiterhelfen könnte. Thalab legte den Satz sofort zu Msanaas Gunsten aus während dieser das ganze pessimistischer - und wahrscheinlich damit auch realistischer - deutete.

Als klar war das Agape sich nicht auf einen finanziell so zweifelhaften Auftrag einlassen würde schlurfte Thalab kopfschüttelnd davon und ließ den verwirrten Nubier alleine mit den Frauen zurück.
"Hey, Du nicht könne werfen mit Worten um dich und dann mich sterben lassen dumm! Was denn nun sein mit diese Fell.....Fellutzi....Fallizita........verdammt!" Msanaa floh angesichts dieser Tatsache dem anderen Gladiator hinterher und brüllte weiter: "Was sein das für eine Erfindung dieses Fellatio!?!"

Nachdem Agape gegangen war spülte Faba nachdenklich das Geschirr. Sie hatten sich noch lange über den Beruf der Hetäre unterhalten während das leise Stöhnen und heftige Atmen eines Liebespaares - die Liebesdienerin hatte ihr versichert das es sich hierbei keinesfalls um Straßenköter handelte - irgendwo da draußen in den Gassen das Gespräch auf beinahe gespenstige Art und weise untermalte. Einige Satzfetzen schwirrten ihr immer noch unermüdlich durch den Kopf. Agape war ohne Zweifel eine beeindruckende Frau - hinter dem hübschen Körper steckte ein äußerst wacher Geist. Etwas, das in ihren Augen weitaus gefährlicher, wenn auch - sie musste es sich eingestehen - anziehend war.

Sie nahm sich fest vor Quintus zu fragen was denn nun eine Fellation war.

2 Kommentare:

  1. Ich gebe Kenny von weiter unten mal recht: Liest sich sehr schön.
    Bräuchte nur paar Bilder, für Banausen wie mich. :D

    Und Thalab kommt natürlich viel zu schlecht weg, Harsiese sowieso. Wobei der es zumindest verdient hat. ;)

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  2. Danke für die Blumen. Gute Bilder zu machen ist eine derart kunstvolle Tätigkeit das ich mich da lieber dezent zurück halte und die Werke anderer genieße ohne mich diesen Mühen auszusetzen. Und dafür haben wir ja Deinen Blog.
    Das Deine Pixelhaufen nicht im besten Lichte erstrahlen liegt zu einem guten Teil daran das sie kaum Kontakt zu Faba haben - und in dem speziellen ägyptischen Fall eher mit zwielichtigen Tätigkeiten glänzen. Aber hey, Du vergisst Deine dritte Erscheinungsform...

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