Sonntag, 7. Oktober 2012

Der Angriff

Gerüchte schwirrten durch die Stadt wie ein Schwarm wütender Hornissen. Worte huschten von Mund zu Mund, mit jeder Wiederholung schien der Skandal noch abscheulicher, böser und... unterhaltsamer zu werden. Schon die Namen der Beteiligten ließen dem mittellosen Plebs einen wohligen Schauer über den Rücken laufen. Und so war es nur eine Frage der Zeit bis die Erzählungen die Taverne erreichten und die Wirtin erzittern ließen.
Sie verfluchte Sabrina, während sie die Gäste verscheuchte und die Tür der Taverne vorzeitig schloss. Wäre diese völlig verwöhnte Sklavin von Quintus nicht so krank geworden dass Vaia im Ludus aushelfen musste, hätte Faba nicht auf die Einnahmen von heute verzichten müssen. Aber das hier war wichtiger, so viel wichtiger.

Raschen Schrittes eilte sie durch die Stadt um schließlich vor Tiberius' Tür anzuhalten und hektisch zu klopfen. Ungeduldig lauschte sie mit wild schlagendem Herzen, aber kein Laut war zu hören. Sie rüttelte unruhig an der Klinke der Tür, nur um nach vorne stolpernd festzustellen dass diese gar nicht abgeschlossen war. Ihre lauten Rufe durchschnitten die Stille und endlich vernahm sie eine zögerliche Antwort. Florinas Stimme - die Bäckerin war also wirklich beim Medicus untergebracht worden. Schluchzend warf sich diese in die Arme ihrer Freundin.

Die letzten Tage hatten sichtbare Spuren an der Bäckerin hinterlassen. Faba machte sich selbst heftige Vorwürfe, weil sie vor lauter Trubel um Taverne und Familienleben so wenig Zeit für sie gefunden hatte. Grimmig gab sie sich selbst das Versprechen dieses ab jetzt zu ändern.
Sanft auf sie einredend versuchte sie die große Frau zu beruhigen und führte sie aus dem so beklemmend nach Medizin und Krankheit riechenden Domus des Medicus nach draußen in den großen Park. Aber der warme Schein der Abendsonne, das Gezwitscher der Vögel und das duftende weiche Gras unter ihnen bekam etwas Irreales, als sie nach und nach realisieren musste, dass die Gerüchte stimmten. Sie versuchte ihrer Freundin aufmunternd zuzulächeln, während ihre eigenen Gedanken wie wild rasten.

Florina hatte Maja angegriffen und verletzt. Der Überfall und die dadurch entstandenen hohen Reparaturkosten hatten die frischgebackene Bäckerin in die Geldnot getrieben. Ein Umstand, der sich nicht dadurch besserte, dass ihr die reichen Bürger Brundisiums lieber wertvolle Geschenke als Geld gaben - Geschenke, die sie nicht veräußern konnte ohne dass der Verdacht des Diebstahls auf sie fiel. Und da war der Streit mit Farshid gewesen, der sich über die Qualität ihrer Waren beschwerte. Die arme Maja, die ihr nur gefolgt war um ihr zu helfen, hatte schließlich ihren gesamten Zorn zu spüren bekommen.

Das klang alles gar nicht nach der Freundin die sie einst kannte. Aber die Not konnte Menschen verändern - Faba hatte es in den Tagen, als die Krankheit über ihre Familia hereinbrach, zu oft gesehen. Sie erinnerte sich an die Heftigkeit mit der Florina Msanaa angegriffen hatte. Nun, vielleicht wäre alles besser wenn man die Not erst einmal gelindert hätte. Wenn sie doch nur für sie da gewesen wäre..

Aber jetzt war sie ja hier. Sie reichte ihr ein Tuch um ihre Tränen zu trocknen und lud sie in die Taverne ein. Das vertraute Kochen würde ihr gewiss helfen wieder zu sich zu finden. Eiligen Schrittes ging sie schon einmal vor um alles vorzubereiten, während Florina sich herrichtete.

Schief pfeifend öffnete sie die Tür der Taverne und legte in der Küche schon einmal alles für das anstehende Festmahl bereit. Sie wartete lange, aber Florina kam einfach nicht. Seufzend entzündete Faba eine Kerze und bereitete wenigstens schon einmal einen Obstsalat zu, um sich etwas abzulenken.
Zaghaft machte ihr schlechtes Gewissen wieder auf sich aufmerksam und so stieg sie die hölzernen Treppenstufen zu den Privaträumen hinauf. Behutsam hob sie das lose Dielenbrett an, das über ihrem geheimen Versteck lag. Sorgsam aufgerollt lagen dort ihre wichtigsten Dokumente und die Beutel mit ihrem Geld. Sanft schimmerte das Gold im schwachen Licht der Kerze, als sie den ersten Beutel öffnete. Wie viel Florina wohl brauchen würde? Leise klimperten die Geldstücke, als die Wirtin sie schnell zählte. Derart abgelenkt vernahm sie nicht die vorsichtigen Schritte auf der Treppe und schaute erst hoch, als sie leise Worte vernahm. Ein kalter Schauder lief ihren Rücken hinab und sie erstarrte, unfähig sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

Den plötzlichen Schmerz des eindringenden Messers spürte sie in ihrem Schock kaum. Ein letztes Mal öffneten sich ihr Mund, aber anstelle von Worten verließ nur ein warmer Blutstrahl ihre Lippen. Ein kurzes Zucken, dann erstarrte sie und kippte leblos nach vorne.

Samstag, 25. August 2012

Sonntagskleidung

Nachdenklich legte sie die zwei neuen Tuniken in die Truhe und strich noch einmal liebevoll über den glatten, leichten Stoff. Wie zart sich das Leinen anfühlte - so ganz anders als die schlichte Wolle, die sie den größten Teil ihres Lebens über getragen hatte. Ein weißes und ein grünes Gewand, beide mit wunderschön gearbeiteten goldenen Verzierungen. Maja hatte sich mal wieder selbst übertroffen. Wild tobte in einer gut versteckten Ecke von Fabas Kopf ihr schlechtes Gewissen, das sich über ihre Putz- und Verschwendungssucht mokierte.

Dabei bereitete ihr das Kaufen soviel Vergnügen. Sie liebte es, die Schneiderei zu betreten und ihren Blick unauffällig über all die schönen Stoffe und Farben gleiten zu lassen. Dann die Aufregung, wenn die Römerin das neue Stück fertig drapiert hatte und sie es endlich anschauen durfte. Schließlich der Höhepunkt: Das erste vorsichtige Hineingleiten in das neue Gewand, Majas kritischer Blick und zupfende Fingerspitzen bis alles letztendlich richtig saß.

Natürlich war die Schneiderei auch genau der richtige Ort um ruhig und von den Männern ungehört ein wenig zu plaudern. Zuerst drehte sich erst einmal alles um die anstehende Hochzeit, aber dann sagte die Schneiderin etwas, das Faba völlig verwirrte.

Jemand hatte Corinus schlimm zugerichtet. Dieser Mann hatte nicht nur selber als Gladiator gekämpft sondern verfügte zudem noch über eine kleine, schlagkräftige Privatarmee in Form des ersten Ludus der Stadt. Eine Person wie ihn anzugreifen erschien ihr leichtsinnig und gefährlich. Glücklicherweise glaubte Maja dieses mal nicht an eine Verwicklung von Quintus in diese Angelegenheit. Was womöglich das Rätselhafteste an der ganzen Geschichte war.

Der Rest der Plauderei drehte wich wie so oft um die Gladiatoren und Kämpfe. Es war sowieso schon längst Zeit für einen neuen Kampf, immerhin hatte es ja diverse Neuerwerbungen gegeben, die sich alle noch in der großen Arena von Brundisium beweisen mussten. Leider ließ sich Maja auch nichts über "ihren" neuen Gladiator entlocken, selbst sein bevorzugter Kampfstil war ihr unbekannt. Das Publikum konnte sich so wohl auf einige Überraschungen gefasst machen.

Geräuschvoll klappte sie den Deckel der Truhe hinab und griff noch einmal zu der Wachstafel um ihre Notizen zu überfliegen: "Pflaumen, Äpfel, Zitronen, Birnen, Trauben und eingelegte Oliven".

Majas Geschmack war in letzter Zeit wirklich eigenartig geworden. Die meisten ihrer Gäste bevorzugten etwas Deftiges oder Süßes, die Schneiderin stand mit ihrer neuen Leidenschaft für süß-saure Oliven so ziemlich alleine da. Faba würde Vaia dennoch das Rezept geben und diesen eigenartigen Salat in das übliche Angebot aufnehmen. Geld war Geld.

Freitag, 24. August 2012

Unerwartete Reaktionen

Lange und genüsslich auszuschlafen ohne sich von dem Stöhnen und Keuchen der Männer ablenken zu lassen, die unten ihre schweißglänzenden Leiber im hellen Licht der Morgensonne bewegten - dass war bis jetzt ein unvorstellbarer Luxus gewesen. Träge flatterte sie mit den Augenlidern und streckte sich wohlig. Ihre vorsichtig tastende Hand fand neben sich nur kühle Leere - mehr Platz um sich noch einmal genüsslich zu räkeln bevor es galt dem frisch angebrochenem Tag die Stirn zu bieten.

Natürlich aber erst nach einem reichhaltigem Frühstück im Bett. Ob Quintus daran gedacht hatte als er ihr Vaia geschenkt hatte? Das Mädchen hatte sich als eine wirklich gute Hilfe in der Taverne erwiesen und ihr damit viele Sorgen genommen. Ein Lächeln huschte über ihr noch leicht verträumtes Gesicht. Die Griechin müsste vielleicht noch lernen nicht alles allzu wörtlich zu nehmen - einige ihrer Gäste sagten mitunter sehr zweideutige Dinge und das dürfte durchaus zu einigen interessanten Situationen führen.

Voller Stolz hatte sie heute die kleinwüchsige Sklavin ihren Gästen vorgestellt. Und der war durchaus berechtigt gewesen, wenn sie an das kleine Körbchen dachte, welches Vaia so geschwind und geschickt für Claudia zusammengestellt hatte. Nachdenklich runzelte Faba die Stirn. Eigentlich wollte Claudia ursprünglich ein paar Leckereien in der Bäckerei erstehen, um ihre Freundin Maja etwas aufzumuntern, der es offensichtlich nicht gut ging.

Es kam ihr seltsam vor das die Bäckerei schon geschlossen war, aber Florina erwies sich in letzter Zeit als sehr eigenwillig. Immer häufiger taten sich breite Lücken in ihrem Angebot auf und auch die Qualität ihrer Backwaren ließ zu wünschen übrig. Und die Launen der Bäckerin waren ihr immer öfters ein echtes Rätsel. Seit ihrer Rückreise aus Tarentum hatte sich etwas verändert, aber sie konnte beim besten Willen nicht sagen was die Ursache war. Sollte es aber von Dauer sein, so fürchtete sie das schlimmste für die Bäckerei.

Gestern war ihr sowieso fast jeder seltsam vorgekommen. Angefangen hatte es ganz harmlos mit dem Medicus, mit dem sie sich über ihre neue Errungenschaft unterhalten hatte. Sie hatte ihm gerade erzählt, dass sie gedachte Vaia regelmäßig etwas für ihr Peculium zu geben um ihre hohe Motivation zu erhalten. Was beflügelte mehr als die Sehnsucht nach Freiheit? Die Sklaverei war nützlich und notwendig, aber sie hielt nichts davon die Sklaven unnötig in Furcht und Schrecken erstarren zu lassen. Es gab einfachere, subtilere Methoden sich ihrer Loyalität und ihres Arbeitseifers zu versichern und die Aussicht, sich eines Tages selbst Freikaufen zu können, erschien ihr da mit Abstand am sichersten.

Hach, Freiheit... wie Möwen die um ein Fischerboot schwärmten kreisten ihre Gedanken um dieses Thema. Unvorstellbar das sie jetzt schon wieder ein angehendes Ehepaar unter sich hatten. Kaum hatte sie diesen flüchtigen Gedanken ausgesprochen, reagierte der Medicus ausgesprochen komisch.

Es verwirrte sie, dass er nicht informiert war, hatte sie doch bis jetzt immer gedacht, dass ihn und Farshid eine echte, tiefe Männerfreundschaft verband. Dass er ihm noch nicht einmal einen kurzen Brief mit der frohen Botschaft geschrieben hatte war schon eigenartig. Und die Reaktion auf das Gehörte noch seltsamer. Tiberius wirkte mehr geschockt als erfreut, etwas was sie bei einem so guten Freund nicht erwartet hatte. Eine Ehe führte zu einer Reihe von Einschränkungen und einem ganzen Bündel neuer Pflichten, aber dennoch kam ihr die Reaktion reichlich unangemessen vor.

Er wirkte fast dankbar als Corinus mit Maja erschien und ihn um ein vertrauliches Gespräch baten. Maja wirkte wirklich etwas nervös und ein wenig blass um die Nase, während Corinus sich in rätselhaften Andeutungen erging: "Entschuldige uns kurz bitte Faba. Ich will nur keine Hoffnung ins Land brüllen, wenn die Brunnen vielleicht doch trocken bleiben."

Wenigstens Claudia wirkte recht normal, als sie wieder in der Taverne aufkreuzte, kurz gefolgt von Farshid. Corinus hatte dem Pärchen seinen Segen gegeben, es bedurfte so wohl nicht mehr viel bis die Hochzeit vollzogen werden konnte. Dennoch schien auch hier ein Schatten über dem frischgebackenem Paar zu liegen, ihr war das Zittern seiner Hände nicht entgangen als er seinen Weinbecher entgegen nahm. Sie versuchte das lebhafte Gespräch der beiden zu überhören, aber es gelang ihr nicht ganz. "Katastrophe", "Skandal" - das waren nicht gerade die Worte die sie mit beginnendem Eheglück verband. Aber was ging es sie an?

Sie gähnte noch einmal ausgiebig, bevor sie vorsichtig ein Bein ausstreckte um nach dem Boden unter dem Bett zu tasten. Vorhanden. Beruhigt platzierte sie nun auch ihr zweites Bein daneben und setzte sich auf. Zumindest auf ein paar Dinge konnte man sich verlassen.

Wieder schweiften ihre Gedanken zu der Nacht davor zurück. Die Nacht in der Farshid einfach so in ihrer Taverne umgekippt war ohne überhaupt wirklich etwas getrunken zu haben. Die ganze Hektik...

Bis dahin hatte es eigentlich so ausgesehen dass es ihm wieder besser gehen würde, nachdem er sich mit Tiberius unten am Hafen unterhalten hatte. Die Stimmung in der Taverne war auf jeden Fall nicht mehr so angespannt gewesen und Claudia, Farshid, Maja und Tiberius hatten sich fröhlich unterhalten.

Nunja, in den Händen von Tiberius war Farshid auf jeden Fall gut aufgehoben und es würde ihm gewiss bald besser gehen. Maja hatte der Besuch beim Medicus offensichtlich ja auch geholfen.

Laut rief sie nach Sabrina. Zeit sich dem neuen Tag zu stellen.

Montag, 20. August 2012

Kinderwünsche

Sie mochte ihn nicht. Mit noch tropfnassen Haaren war sie soeben vom Bad zurück in die Taverne gekehrt, nur um verblüfft festzustellen dass die beiden Lanistae und dieser Kerl sich bereits dort eingefunden hatten.

Sein Körperbau mochte viel versprechend sein, aber ihr gefiel sein Blick nicht.
"Laut Aussage von seinem Vorbesitzer ist er ein ganz besonders Wilder, schwer zu kontrollieren." - Quintus Worte ließen das Schlimmste befürchten. Sie hoffte dass er da wirklich wusste was er tat. Die Blicke, die er ihr und der frisch eingetroffenen Maja zuwarf, zogen die beiden Frauen förmlich aus und sie ertappte ihn dabei, wie er ihnen ungeniert in den Ausschnitt starrte.
Sie seufzte leise: "Es fehlt ihm noch ein wenig an Erziehung."

Während die beiden Frauen schnell genug von diesem so unverschämt starrenden Redonen hatten, wurde Quintus es nicht leid über seine Neuanschaffung an reden.
"Ja, ein Wilder ohne Manieren, ein Barbar, wie alle Gallier." Faba schenkte ihm einen bitterbösen Blick und vorsichtshalber noch einen gut gezielten Tritt gegen das Schienbein.
Er reagierte erstaunlich überrascht: ""Was, der Kerl hier ist ein Wilder!"
Ihr Tonfall war leise, aber die Aussprache überdeutlich als sie sich ihm zuwandte: "Wie alle Gallier?"
Quintus beugte sich grinsend zu ihr: "Ich rede von Männern, nicht von den Frauen."
Demonstrativ verschränkte sie die Arme vor der Brust was ihr Dekollete (zur Freude des anscheinend schon gelangweilten Galliers) auf eine durchaus nette Art und Weise hoch drückte bevor sie noch einmal spitz nachfragte wie es denn nun um die Frauen bestellt wäre.

Quintus lächelte sie süffisant an: "Sie sind auch Wilde, aber ganz woanders."
Sie erwiderte honigsüß sein Lächeln: "Verzeih meine Fragen, aber ich möchte nur wissen was Du Deinen Kindern später über ihre Großmutter erzählen wirst."

Amüsiert bemerkte die Wirtin wie nervös Maja von den ehelichen Neckereien wurde und schon nach dem Geldbeutel griff. Immer noch lachend versicherte das Paar ihr dass sie auf keinen Fall stören würde.
"Es klang sehr nach einem Gespräch, das mehr unter vier Augen geführt wird" erklärte sie sich.
Freundlich blickte Faba sie an: "Wünscht sich nicht jeder Kinder?"

Wer hätte gedacht das sie damit die größte Überraschung des Abends schon vorweg genommen hatte?

Unaufhörlich drehten sich ihre Gedanken um das Thema, als sie sich im Dunkeln auf den Weg nach Hause machte. Es kam nicht oft vor das sie die Taverne vor den Gästen verlies, aber das hier war eine... Ausnahme. Sie gönnte dem frischverliebten Pärchen die sowieso immer viel zu knapp bemessene Zeit, erst recht wenn noch nicht feststand ob der Pater familias überhaupt sein Zugeständnis geben würde.

Dennoch malten sich beide in den schönsten Farben ihre Zukunft aus. Zehn Kinder.
Das klang nach viel schweißtreibender Arbeit.

Aber Claudia und Farshid würden das schon schaffen.

Sonntag, 12. August 2012

Aggressionen und Besorgungen

Zart und rosig fühlte sich die weiche Haut unter ihren Fingerspitzen an und sie senkte den Kopf, um den verlockenden Duft tief einzuatmen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen als sie sich vorstellte, ihre scharfen Zähne genüsslich in das süße Fleisch zu schlagen während der aromatische Saft ihre Lippen netzte.
Fröhlich ließ sie sich direkt einen ganzen Beutel dieser köstlichen Pfirsiche geben und drehte sich um, als sie den freundlichen Gruß des Ehepaares Granatus vernahm. Sie waren wohl gerade auf dem Weg zu ihrer Taverne und die Wirtin nahm gerne das Angebot an, ihr beim Tragen der Einkäufe behilflich zu sein. Erleichtert stellte sie fest das sich die Stimmung zwischen den beiden offensichtlich gebessert hatte; Corinus Wunsch nach mit Wasser verdünntem Wein schien ihr da ein sehr zuverlässiger Indikator zu sein. Als er sie alleine in die Küche begleitete um die Einkäufe abzustellen, nutzte sie die Chance ihm eine leise Warnung zuzuraunen: "Sei vorsichtig... und nutze mich bitte nicht das nächste mal als Ausrede wenn du in einem so desolaten Zustand nach Hause kommst." Maja tat ihr leid und es ging ihr gehörig gegen den Strich, das "ihre" Gäste mit ihrem verwahrlosten Zustand die Taverne in einen so schlechten Ruf bringen sollten. Es war vielleicht nur eine einfache Hafenkneipe, aber immer noch besser als der gewissenlose Ausschank minderwertigen Fusels wie sie in den zahlreichen billigen Bordellen hier betrieben wurden.

Aber der eheliche Frieden sollte nicht lange wären. Faba hatte ihnen gerade ihre Bestellung gebracht und es Maja überlassen, den Wein für die beiden fachgerecht mit Wasser zu mischen, als es wieder losging. Die Wirtin hatte sich gerade zu ihrem Mann an den Nachbartisch gesetzt, als jemand laut losspuckte und fluchte.
"Ich bin doch kein Rindviech was Wasser trinkt!" - es war Corinus Stimme, die laut seinem Unbill Luft machte. Die Antwort seiner Frau war äußerst kühl: "Du wolltest Wasser, schon vergessen?" "Nein! Ich wollte Wein mit Wasser, nicht Wasser mit Wein. Mach dir keine Sorgen um dein Kleid - DAS gibt NUR Wasserflecken."

Und als ob es das Startsignal für weiteres Chaos war, griff dieses langsam aber sicher um sich. Florina rannte mit einem Korb voller Brötchen, die Faba für ihre Taverne bestellt hatte direkt gegen die breite Brust des ersten Lanistas und verlor über die Hälfte ihrer frischgebackenen Fracht. Der neue Gladiator des Ludus Granatus half ihr zwar sie aufzulesen, aber die schmutzbedeckten Semmeln waren offensichtlich nicht mehr für den Verkauf geeignet. Maja rauschte mit funkelnden Augen und mit roten Weinflecken durchnässter Robe davon, nur um kurz darauf mit provokant freizügiger Kleidung wieder zu erscheinen. Und Thalab misshandelte den guten Würzwein, den sein Dominus ihm ausgegeben hatte, auf barbarische Art und Weise.

So war es kein Wunder, dass sich die allgemeine Stimmung nach und nach aufheizte. Und so dauerte es auch nicht lange bis die beiden ältesten Streithähne mal wieder ihrer liebsten Beschäftigung nachgingen.
Corinus hatte stolz seinen Neuerwerb - Anaeus - vorgeführt, dessen Fähigkeiten er vollmundig anpries und gleich einen Übungskampf mit Thalab vorgeschlagen. Natürlich schaukelte sich die Gemüter hoch und schnell war man wieder mit den gewohnten Beleidigungen zur Hand.
"Ein einfacher Dachdecker will mir erzählen ich hätte keinen Blick für einen guten Gladiator.....geh wieder Dächer decken Corinus, das kannst du besser!" stichelte Quintus.
"Ja Quintus, ich mag Dachdecker gewesen sein, und ich bin sicher, ich decke so einiges besser als du. Dennoch erkenne ich einen guten Kämpfer wenn ich einen sehe. Also was ist, feige?"
"Ich weiß das du der Decker in Brundisium bist, es wird ja genug erzählt in den Strassen."
Faba fragte sich warum das ganze Wortduell auf Kosten von Maja ausgetragen werden musste. Aber anscheinend machten die Gerüchte wohl schon die Runde und die sonst so sanfte Frau konnte sich wohl noch auf einiges gefasst machen.

Die verbale Auseinandersetzung der beiden Lanista ging nicht ohne Spuren an den Gladiatoren vorbei, die sich schon die ganze Zeit argwöhnisch gemustert hatten. Aufgeregt wippte der Neue auf den Fußspitzen, während Thalab grimmig die Knöchel knacken ließ.

Und dann die erlösenden Worte von Quintus an seinen besten Kämpfer: "Hau diesen Gladiator um!" Dieser nickte freundlich: "Wie Du mögen, Dominus" und flog wie alle anderen von der Sim.

Nachdem sich die Taverne nach und nach geleert hatte blieb die Wirtin alleine mit ihrem Mann zurück. Auch er hatte sich einen neuen Gladiatoren gekauft, der bald bei ihm eintreffen würde. Ein Gallier, blass, hellhaarig und wild der bereits einige Erfahrung als Gladiator sammeln konnte.
Ihre Mutter war auch Gallierin gewesen - gut konnte sie sich noch an das hellgelbe Haar, die milchfarbene Haut und die blitzenden blauen Augen erinnern die den ihren so unähnlich waren. Schnell verdrängte sie den Gedanken und erkundigte sich nach der bevorzugten Kampfart. Schwert und Schild oder direkt zwei Schwerter. Damit hätte der Ludus keinen Retarius mehr, da Msanaa dafür nach Capua gehen sollte. Aber Quintus wusste bestimmt was er tat und ihr war es lieb, wenn die furchtbaren Tierhatzen erstmal aufhörten. Und sie hätte ihr Versprechen gehalten - der Gladiator konnte da wie gewohnt um sein Leben kämpfen und wäre vorerst nicht den Widrigkeiten des harten Lebens eines Steinbruchsklaven ausgesetzt.

Verlegen bat sie ihn um einen Gefallen und war ihm dankbar als er ihre Hand ergriff um sie zu einem Ort zu führen vor dem sie sich um mehr als alles andere fürchtete. Ein Gang der zu lange schon fällig war und ihr dennoch ihr Herz wie wild pochen ließ.
Während er sich geschäftig dem Händler zuwendete und direkt auf das Anliegen zu sprechen kam, musterte sie erstmal mit großen Augen das Angebot. Dürr erschien es ihr und sie wandte sich schließlich einer Frau zu, die ein wenig abseits vor einem Metallkäfig stand.

Höflich beantwortete sie die neugierigen Fragen während Quintus skeptisch ihren Leib musterte. Vaia hieß sie, stammte aus Syrakus und beherrschte neben dem fließend gesprochenen Latein zudem Griechisch. Nach all den furchtbaren Jahren mit ihrem griechischen Hauslehrer wollte sie mit dem Volk eigentlich nichts mehr zu tun haben, aber diese hier konnte dadurch zumindest ein wenig lesen und schreiben. Was sich neben ihrer Erfahrung als Küchensklavin als durchaus nützlich erweisen konnte.

Das Ehepaar sah sich an, kam zum selben Ergebnis und Quintus stürzte sich in die Verhandlung mit dem Sklavenhändler. Wild gestikulierte er, schimpfte, verhandelte, schimpfte weiter und drohte schließlich, bis aus den ursprünglich geforderten 300 Denaren 90 wurden. Voller Stolz betrachtete sie ihren Mann mit klopfendem Herzen.
Eine eigene Sklavin - etwas woran sie früher nie gedacht hätte. Als Geschenk ihres Mannes - sie konnte ihr Glück gar nicht fassen und fiel ihm in die Arme.

Das würde ihr Leben stark verändern - aber ihr wohl auch ein wenig der ersehnten Ruhe bringen. Mal sehen wie sie sich machen würde.

Mittwoch, 8. August 2012

...mit dem Tag am Meer...

Wütend gellte der Schrei der Möwe durch den Hafen. Wild flatternd stürzte sie sich auf eine Artgenossin, die gerade behände ein Stück Fisch aus einem Fischernetz stibitzt hatte und nun stolz mit ihrem Raub dahinsegelte. Der Zusammenprall war heftig. Schrille Schreie zerfetzten die vorher so anheimelnde Ruhe des Hafens und Federn lösten sich, als sich die Angegriffene mit wildem Flügelschlag gegen den hackenden Schnabel der Kontrahentin zu wehren versuchte. Dann Ruhe, als die Gegenwehr auf einmal verstummte und der Fischkadaver aus den erschlaffenden Gliedern sank und zu Boden stürzte.
Sie kniff die Augen zusammen um die Einzelheiten besser erkennen zu können. Etwas stimmte nicht - der Schlag der Flügel stockte, der ganze Vogel geriet ins Trudeln und sank in unregelmäßigen Wirbeln nach unten. Viel zu schnell und ungebremst. Verglichen hiermit wirkte der kühne Sturzflug der anderen Möwe harmlos, die sich gekonnt die umkämpfte Beute schnappte und davonflog.
Jetzt war sie es, die schrie, als der leblose Kadaver direkt vor ihren Füssen dumpf aufprallte. Ihr Bein zitterte, als sie ausholte und den blutbefleckten Körper schnell von der Kaimauer in das undurchsichtige Dunkel des Hafenbeckens beförderte. Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie nach unten und erblickte den frischen Blutfleck, den das ganze Ereignis auf dem hellen Leder ihrer abgelaufenen Schuhe hinterlassen hatte.

Bei den Göttern, was war das gewesen? Es jagte ihr immer noch kalte Schauer den Rücken hinunter. Trotz des warmen Tageslichtes wirkte es so unwirklich...
Sie wusste, dass dem Flug der Vögel eine sehr hohe Bedeutung zukam und man aus ihm die Meinung der Götter zu diversen hochwichtigen Staatsangelegenheiten ablas. Rom hielt sich zahlreiche Fachleute, die sich auf diese hoch komplizierte Fähigkeit verstanden. Es wäre natürlich nicht Rom gewesen, wenn man sich nicht zusätzlich durch Priester absicherte, welche die Zukunft aus den Eingeweiden von Opfertieren erkennen konnten.
Wäre Quintus doch hier gewesen, er kannte sich doch immer so gut mit allen Dingen aus. Gewiss hätte er eine einfache und logische Antwort gewusst und sie beruhigt.

Mit verstörtem Gesichtsausdruck begab sie sich zu ihrer Taverne ohne ihre Umgebung überhaupt wahrzunehmen. Verzweifelt versuchte sie dort den Blutfleck abzuschrubben, aber er erwies sich als hartnäckig. Vielleicht hatte Sabrina ja heute Nacht mehr Erfolg als sie. Seufzend begann sie sich auf den heutigen Abend vorzubereiten und die vertraute Routine gab ihr zumindest einen Teil ihrer Ruhe zurück.

Ein lautes Stimmengewirr holte sie aus ihrer Trance. Corinus und Maja diskutierten lautstark in Gegenwart des Tribuns und sie trat neugierig hinzu.
"Salve Faba, ich komm gleich zu dir die Rechnung begleichen." begrüßte sie der Lanista, während Maja mit sehr brummiger Miene daneben stand. Verwirrt blickte sie ihn an, behielt aber geflissentlich ihr Lächeln bei und antwortete selbstsicher "Gewiss."
Geld war immer gut, speziell wenn er überhaupt nichts dafür in Anspruch genommen hatte. So wie es klang war der Mann tatsächlich in Nöten - nichts was sich nicht ausnutzen ließe!
"Wenn ihr mich entschuldigen würdet, ich sollte meine Hände waschen, ich habe da was angefasst was meinem Mann nicht passte." Majas Satz war ebenso schnippisch wie unverständlich als sie davon rauschte. Was war da los?

"Wer hätte ja auch ahnen können das der Abend so teuer werden würde.. ganze neun Sesterzen..."probierte Faba ihr Glück.
Er lachte leise: "Sie glaubt es nur nicht, sie denkt ich war bei einer Hafenhure." Daher wehte also der Wind!
Nun lachte auch der Tribun: "Und warst du?"
"Nein, ich bin doch was besseres gewöhnt als diese gewöhnlichen Flittchen."
Die Wirtin fand, dass sie es Maja schuldig war den Preis unter diesen Umständen anzuheben: "Wie kommt sie denn auf so eine Idee? Ich kann felsenfest bezeugen das du für elf Sesterzen besten Wein bei mir getrunken hast."
"Eben waren es noch neun. Faba, hab ich was verpasst?"
Sie blickte ihn mit gespielter Unschuld an: "Oh, du musst dich verhört haben..."

Wo auch immer er sich herumgetrieben hatte, sein Kater war auf jeden Fall echt. Nicht ganz ohne Hintergedanken erzählte sie den beiden von Quintus Katerbekämpfungsmaßnahmen, die sofort auf helle Begeisterung stieß. Ebenso wie der neue tarentinische Wein, der endlich eingetroffen war. Wer hätte gedacht das der Vater des Tribuns auch ein Landgut besaß auf dem Wein angebaut wurde? Und er versprach ihr ein oder zwei Fässer davon zu besorgen! Das war wirklich großzügig von ihm und sie freute sich schon darauf den unbekannten Tropfen zu kosten.
Die Taverne füllte sich schnell noch weiter und Dank Serenas tatkräftigem Einsatz hatte sie dennoch Zeit, sich ein wenig mit ihren Gästen zu unterhalten. Trotz der Erwähnung des horrenden Geldbetrages den Corinus bei ihr angeblich versoffen hatte war Maja nach wie vor sehr ungehalten - oder gerade deswegen? Dennoch wendete sie sich der Wirtin zu und sprach sie auf den offenen Auftrag an:
"Ich habe da noch ein Gewand, das ich fertig stellte, das aber nie abgeholt wurde. Es sollte dir passen" Faba stockte der Atem: "Ohh... von wem denn?"
Ein breites Lächeln, dann die knappe Antwort: "Agape".
Als sich die Wirtin wieder von ihrem fürchterlichen Hustenanfall erholt hatte und ihre Gesichtsfarbe sich normalisierte, bot sie ihr an das gute Stück in der Schneiderei anzuschauen. Schnell versuchte sie die eben eingetroffene Tamara als Hilfswirtin einzuweisen, aber das schien keine rechten Früchte zu tragen. Als Gladiatorin mochte sie ungeschlagen sein... als normale Kellnerin war sie nicht beschlagen genug. Schnell versicherte sie der frisch eingetroffenen Reisenden eine gute Unterkunft und überließ sie der gewiss angenehmen Gesellschaft ihres Mannes, um endlich wie ersehnt zur Schneiderei zu laufen.

Die römische Schneiderin hatte ihren Vorsprung gut genutzt und die Tunika kunstvoll auf einer Stoffpuppe drapiert. Es verschlug ihr die Sprache. Dieser edle Stoff mit der schlichten, aber eleganten Färbung, der so sanft über die Halterung floss. Der Schnitt der für Agapes Verhältnisse geradezu züchtig war, aber dennoch deutlich die Figur der Trägerin betonen und mit gerade noch gesellschaftstauglichen Einblicken deren Vorzüge hervorhoben würde.
Respektvoll wischte sie ihre fettbesudelten Hände an einem von Maja gereichten Tuch ab, bevor sie sich auszog um in dieses Prachtstück hineinzuschlüpfen. Und es passte perfekt. Wer hätte gedacht das sie und die Hetäre eine ähnliche Figur hatten? Ungläubig starrte sie auf den gewagten Ausschnitt und den raffinierten Schnitt. Maja hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, das Gewand war einfach traumhaft.
"Keine Widerrede. Ich schenke sie dir, sieh es als Hochzeitsgeschenk an" Die Wirtin konnte ihr Glück nicht fassen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas so kunstvolles besessen... und die Ideen welche Maja zu den schlichteren Alltagsgewändern äußerte klangen großartig.

Sie war so voller Vorfreude das sie ihr altes abgewetztes Gewand vergaß, als die beiden zurück zur Taverne fegten, um Majas Kunstwerk ihrem Mann und den anderen vorzuführen.
Augen weiteten sich, Unterkiefer klappten nach unten, Worte verloren sich im leeren Raum. Man konnte sagen das es einschlug wie eine Wucht. Als Quintus mühsam seine Fassung wieder errungen hatte starrte er noch einmal lange auf das gewagte Stück Schneiderhandwerk und sagte leise: "Aber das wird nicht bei der Arbeit getragen."
Doch das bekam Faba gar nicht mehr mit, war sie doch gerade im Begriff für Maja einen großen Kelch Weißwein zu holen.

Als sich die Taverne langsam leerte kam sie auch dazu, sich endlich in Ruhe ein wenig mit der frisch Eingetroffenen zu unterhalten. Lutitia Cornelia Merulae hieß sie und sowohl der Name als auch der Schnitt ihrer Kleidung deuteten auf durchaus vornehme Verhältnisse hin. Dennoch war die Frau freundlich und nett, trotz des schweren Schicksalsschlages den sie gerade hinter sich hatte. Sie war hier um auf andere Gedanken zu kommen, etwas das in einer Stadt wie Brundisium gewiss möglich wäre. Immerhin gab es ja zwei bestückte Ludi welche die Arena regelmäßig zuverlässig zu füllen wussten. Und natürlich hervorragenden Wein, speziell der aus Tarentum. Nicht ohne Hintergedanken vermietete sie der Frau eine Wohnung in der linken Insula. Es hatte den zweitbesten Meerblick (Florina hatte sich natürlich schon längst das andere gesichert) und - was nicht zu verachten war - einen freien Blick auf den Trainingshof des angrenzenden Ludus Calpurnianus. Wenn die muskulösen Männerleiber in den knappen Rüstungen die Frau nicht auf andere Gedanken bringen konnte wusste sie auch nicht weiter. Die Arme tat ihr leid. Es war furchtbar seinen Ehepartner schon so früh von der Seite gerissen zu bekommen.

Nur wenige Schritte führten sie von dem Mietshaus zum heimischen Ludus. Leise schlich sie die Treppe hinauf, nur um ihren Mann leise schnarchend im Bett vorzufinden. Wie friedlich der alte Griesgram aussah...  Jupiter verging sich an ihm? Sie schmunzelte. Da hatte sein bester Kämpfer Thalab in einem grandiosem Kampf den größten Widersacher des gegnerischen Ludus niedergerungen, obwohl fast jeder gegen ihn gewettet hatte... und er wurde es dennoch nicht leid über das Schicksal zu klagen. Ob er überhaupt wusste was die Götter einem antun konnten wenn sie es wirklich auf jemanden abgesehen hatten? Seufzend dachte sie an Terentia und die anderen Mitglieder ihrer ehemaligen Familia.

Wieder tauchten die kämpfenden Möwen vor ihr auf. Vielleicht war es ja auch nur eine Ankündigung zu dem Streit zwischen Corinus und Maja gewesen?
Sorgfältig legte sie ihre neue Kleidung ab und faltete sie  auf einem der Hocker zusammen. Dass sie Corinus Lüge unterstützte war gewiss im Sinne der beiden. Was auch immer er getan hatte, dem Ehefrieden wäre eine normale durchzechte Nacht wohl bekömmlicher. Es würde Maja nicht so verletzten wie die Alternative.

Und Corinus? Der hatte einen Riesenfehler begangen. Nicht nur das er heute mit dieser Geschichte insgesamt zwanzig Sesterzen an sie verloren hatte.. nein, er hatte sich auch verwundbar gemacht. Sie hatte ihm nur bescheinigt dass er für eine große Summe Wein konsumiert hatte, aber nicht wie lange er bei ihr blieb. Und Maja hätte eigentlich wissen müssen das ihre Taveren nie bis zum frühen Morgen geöffnet war, an dem der durchzechte Lanista endlich nach Hause gekommen war.
Unverhofft hatte ihr der schlimmste Konkurrent ihres Mannes damit eine überaus scharfe Waffe in die Hand gegeben. Es war ja nicht so, das sie diese unbedingt nutzen würde...

Aber es schadete gewiss nicht, ein scharfes Messer griffbereit zu haben.

Ich bin nur ein Platzhalter für Kommendes

und das wird wohl noch eine Weile dauern, verlief der Tag wie auch die beiden vorherigen sehr chaotisch. Es ist schon schwer während des RPs den Überblick zu behalten wenn auf einmal ganze Menschenmassen zusammenfinden (meine Konzentrationsfähigkeit verträgt eigentlich nicht wirklich mehr als drei Mitspieler gleichzeitig, vor allem wenn sie so tippgewaltig sind wie die Brundisianer) und noch unschöner, irgendwie einen roten Faden zu finden.
Dennoch, irgendwann bezwinge ich den Abend. Ganz gewiss.

Aber nicht heute.

Montag, 6. August 2012

Kaltes Bierchen zu warmer Abendstunde

Heute war schon wieder ein Tribun eingetroffen. Anscheinend wurde die kleine Hafenstadt immer wichtiger. Sie fragte sich, ob dieses ihre ohnehin schon guten Umsätzen noch weiter steigen würde. Womöglich brauche sie dann auch noch eine eigene Sklavin, da sie ihre fast schon eingestellte Köchin nun an eine schnöde Bäckerei verloren hatte. Dafür gab es jetzt frisches Brot vor der Haustür - war dieses aber wirklich ein angemessener Ersatz für Florinas verlorene Fertigkeiten?
Die Anwesenheit des hohen Tieres beflügelte die Männer - zumindest ließen sich diese es  sich im Gegensatz zu den Frauen offen anmerken. Letztendlich waren sie Römer... eine schicke Uniform, ein gewandtes Auftreten mit militärischer Knappheit - schon waren sie alle Feuer und Flamme.
Der Ägypter mit der seltsamen Vorliebe für neue Schiffslackierungen war gerade dabei ihm irgendeine windige Schiffsreise anzubieten, während Corinus ein Patronat für den kommenden Kampf aushandelte. Die beiden ließen aber auch nichts anbrennen....

Caladus lenkte sie von dem Trubel um den Neuankömmling ab, als er ihr mit knappen Worten berichtete das ihr Mann bald wieder eintreffen würde. Sie seufzte. Sie hatte sich schon gewundert... aber warum hatte er ihr noch nicht einmal eine kleine Mitteilung hinterlassen? Dennoch konnte sie ihm letztendlich keinen Vorwurf daraus machen, hatte sich ja ihre eigene Reise so unerwartet in die Länge gezogen.
Natürlich wollte er den großen Kampf nicht verpassen und auch der Trainer war zuversichtlich. Im Grunde schien die ganze Stadt nur auf diesen einen Moment hin zu fiebern, nichts wurde so eifrig diskutiert, nichts so oft ausgemalt, nichts so sehnsüchtig erwartet wie dieses Großereignis. Wer würde siegen?

Corinus hatte anscheinend trotzdem schon etwas zu feiern. In der Taverne bestellte er zusammen mit Maja nur das Beste vom besten und zu ihrer größten Überraschung unverdünnten Wein. Endlich war die Welt der Wirtin wieder in Ordnung.
Sie nutzte die Gelegenheit und fragte Maja in einem ruhigen Augenblick, ob sie ihr nicht ein paar neue Gewänder fertigen könnte. Ihr Angebot ließ sie unwillkürlich erröten - die Schneiderin hatte gerade neues Leinen bei Harsiese erstanden und sofort tauchten in Fabas Phantasie der leichte, helle Stoff auf der so geschmeidig die Kurven der Hetäre umflossen hatte. Konnte sie so etwas tragen? Die Hetäre wich in ihrem Traumbild einer hohen, schlanken Marmorsäule mit unbeholfen aufgemalten Efeuranken.

"Du bist eine gut aussehende Frau, so etwas steht dir bestimmt" - das Kompliment des Doctore irritierte sie. Bloß nichts anmerken lassen, erst recht nicht in Gesellschaft des schlimmsten Rivalen ihres Mannes. Anscheinend war der Trainer Quintus gegenüber wohl doch nicht so ergeben wie sie gedacht hatte.
War es die lange Abwesenheit von Quintus die sie dazu verleitete mit diesem Mann später alleine plaudernd sein Cervisia zu teilen? Direkt ein doppelter Tabubruch - aber es tat gut einfach ein paar Worte mit jemandem zu tauschen der die seltene Kunst des Zuhörens verstand.
Natürlich hätte sie nicht so viel über die Probleme zwischen ihr und ihrem Mann reden sollen, Dinge die dessen Trainer gewiss nichts angingen. Trotzdem.. es tat so gut. All die kleinen Problemchen und Nichtigkeiten schienen zu verschwinden sobald sie die richtigen Worte gefunden hatte. Am Ende fühlte sie sich unendlich erleichtert und frei.

In dieser Nacht hatte sie eine kampferfahrene Begleitung auf dem Weg durch die dunkle Nacht. Dann das seltsame Gefühl, als sie sich im Treppenhaus verabschiedeten. Sie blickte sich nicht um, als sie alleine die Treppe zu ihrem Bett hochstieg, aber sie war sich seines Blickes bewusst. Und irgendwie gefiel er ihr.

Sonntag, 5. August 2012

Angesengtes

Die Reise war sogar erfolgreicher als sie gehofft hatte - dennoch hatte sie es so eilig gehabt wieder zurück zu kommen dass sie sich ein Maultier mietete um noch vor dem viel zu langsamen Ochsenkarren wieder zurück zu sein. Kaum hatte sie das widerspenstige Vieh an einem der Ställe beim Stadttor abgegeben, stürzte sie auch schon gen Hafen um nach ihrer Taverne zu sehen.

Und da war sie auch schon, die erste Veränderung. Eine Menschenmenge hatte sich gebildet und umringte neugierig starrend Thalab, der gerade von einem Fremden vorgeführt wurde.
Neugierig fragte sie in die Runde: "Ein neues Trainingsprogramm?"
Es war der Fremde, der direkt antwortete: "Kein neues, er bekommt ein richtiges Training" Überrascht riss sie die Augenbrauen hoch: "Hat er denn vorher nicht trainiert?"
Jetzt mischte sich Corinus ins Gespräch ein: "Doch, er sagte das hat er, auf der Schlafmatte mit einer Sklavin." Sie kicherte - schlagfertig war der Gladiator zumindest.

"Ab morgen werde ich dir zeigen was es heißt zu trainieren. Du wirst doppelt soviel trainieren wie die anderen, doppelt so hart. Du wirst mich hassen dafür, aber das interessiert mich einen Scheißdreck, den dieser Hass wird dir in der Arena helfen".
Die Ankündigung des neuen Trainers hatten den Charme einer Morddrohung, aber sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Thalab stand stocksteif da und starrte ihn mit funkelnden Augen an.

Ihr gefiel der Blick nicht, es wirkte mehr wie Wut als Begeisterung. Und der Trainer schien es tatsächlich darauf abgezielt zu haben.
"Ich glaube fast dass er ihn auch ohne Kampf völlig fertig machen wird..." murmelte sie leise als dieser den Kopf des Gladiators mit dem Knauf seiner Peitsche nach oben drückte.
"Nein Faba, er weiss was er tut"
"Gerade das macht mir ja Angst, Corinus."
"Mir auch!"

Aber das wohl aus anderen Gründen. Solange es die Laune von Quintus hob sollte es ihr Recht sein. Sie sollte wohl die nächste Zeit darauf achten keine Küchenmesser herumliegen zu lassen. Wer war dieser neue Kerl eigentlich?

Corinus kannte ihn offenbar gut, der langen Erklärung nach zu urteilen: "Das ist Caladus, sein ehemals erster Gladiator. Tiberius hat ihn der Arena besiegt, und Quintus machte ihn zum Doctore ..zu seinem Trainer, er ist meist in Capua." Ob der ehemalige Gladiator ihn noch aus seiner eigenen Kampfzeit kannte? Oder hatte er sich nur ausführlich mit dem gegnerischen Ludus befasst? Sie wusste es nicht, aber der Name sagte ihr tatsächlich was. Quintus hatte ihn hoch gelobt, bestritt dieser doch einen Gutteil seiner Einnahmen.

In der Zwischenzeit hatten sich die Anspannung der beiden Männer im Mittelpunkt noch weiter hoch geschaukelt und sie starrten sich jetzt offen feindselig an. Der Stolz des Syrers begehrte gegen die erniedrigende Behandlung auf und riss ihn zu immer frecheren Antworten hin.
Irgendwoher hatte die immer nervöser werdende Serena Wein hergeholt und war gerade im Begriff ihn zu verteilen, als Caladus Faust ohne jede Vorwarnung auf Thalab zuschoss.
Der kurze Kampf war hart und zornig. Zwischendurch sah es sogar fast so aus als ob der deutlich wendigere Thalab den Faustkampf für sich entscheiden könnte, aber ein Treffer des Trainers, welcher die syrische Nase hörbar knacken ließ, brachte diesen schlagartig wieder zur Raison.

Das Eis zwischen den beiden war gebrochen. Der Tonfall des Doctore war jetzt deutlich respektvoller und auch der Gladiator hatte eingesehen, dass er wohl doch noch etwas Training benötigen konnte. Eine gute Vorraussetzung für die kommenden Tage, stand der große Kampf gegen Tiberius doch bald an.

Nach und nach zerstreute sich die Menge und Corinus, Maja und Serena kehrten hungrig in die Taverne ein, wobei letztere vorher noch geschickt den Wein verschwinden ließ bevor die Wirtin die unliebsame Konkurrenz überhaupt realisierte. Aber die Essensbestellung war schon Herausforderung genug, da Sabrina die Einkäufe wohl arg vernachlässigt hatte - sie hoffte inständig, dass sie wenigstens bei den Getränkebestellungen nicht so gepatzt hatte.
Leise fluchend durchsuchte sie die Vorratsschränke und zauberte schließlich doch noch ein schnelles Notessen.
Und dann dieses ärgerliche Malheur! Sie hatte die heiße Pfanne auf dem Herd vergessen und als sie danach griff verbrannte sie sich so stark die Hand, dass sie das glühende Ding mit dem halbverkohltem Fett scheppernd zu Boden fallen ließ. Dieser Schmerz! Und die Sauerei! Laut schimpfend tanzte sie durch die Küche bis ihr das Wasser im Spüleimer zumindest etwas Linderung verschaffen konnte.
Sofort war Serena zur Stelle, hob geistesgegenwärtig die heiße Pfanne mit einem schützendem Handtuch auf und hatte im Handumdrehen den ganzen Dreck aufgewischt, während die Wirtin noch voller Selbstmitleid ihre Hand in das dreckige Nass tauchte.

Mitfühlend erkundigte sich die Sklavin: "Tut es sehr weh? Ich glaube Domina hat noch von der Salbe die der Medicus ihr für die verbrannten Hände nach dem Überfall gab."
Schockiert sah sie zu ihr: "Maja ist überfallen worden?"
Überrschung machte sich auf Serenas Gesicht breit: "Nein, Brundisium."
"Bei den Göttern - wann denn? Von wem? Und gab es viele Tote?" Mit vor Entsetzen offenen stehendem Mund starrte sie ungläubig die Sklavin an.
"Oh, es waren marodierende Horden. Sie fielen ein als die eine Legion schon verschifft und die andere noch nicht eingetroffen war." Sie machte eine kurze Pause. "Du hast Glück dass die Taverne nicht betroffen ist, die halbe Stadt brannte. Hast Du nicht nebenan die schwarzen Flecken an der Bäckerei gesehen?"
Verdammt, das hatte sie wirklich nicht. Hoffentlich war Florina nichts geschehen!

Vorsichtig schmierte Serena draußen die Salbe, die Maja ihr freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte, auf die verwundete Handfläche. Gerade war sie fertig geworden und legte zusätzlich noch einen Verband um, als die Bäckerin vorbeischaute. Im Gegensatz zu ihrer Bäckerei hatte sie das ganze glücklicherweise unbeschadet überstanden. Dennoch.. irgendwie stimmte etwas nicht mit ihr. Trotz ihrer optimistischen Sätze erreichte ihr Lächeln nicht ihre Augen, die nach wie vor sorgenvoll dreinblickten. Geschickt wich sie Fabas Fragen aus - was auch immer es war, sie wollte offensichtlich nicht darüber reden.

Wieder wechselte das Thema auf den Überfall und auf einmal erblasste die Wirtin. Eine Person fehlte... und keiner hatte auch nur ein einzelnes Wort über sie verloren. Florina vermochte die plötzlich aufkeimende Angst zu beruhigen aber...

... wie hatte sie ihren eigenen Mann vergessen können?

Donnerstag, 2. August 2012

Architektonische Bedenken

"Die Basis ist Schönheit, Vertrauen, Harmonie und Fruchtbarkeit" näselte der Grieche gelangweilt und starrte die beiden Backfische vor sich grimmig an. "Stell Dir diese Eigenschaft als die vier Säulen vor, die das schützende Dach über einer glücklichen Ehe tragen. Terentia!" Wuchtig hieb er mit dem Zeigestock gegen die Wand um wieder die Aufmerksamkeit seiner Schülerin zu erringen, die gerade noch theatralisch die Augen in Fabas Richtung verdreht hatte. "Die Schönheit wird von den Göttern gegeben, man kann sie durch gute Pflege verlängern, aber nicht für immer erhalten. Fehlt die äußere Schönheit, so versuch sie durch den Liebreiz der Bewegung und der Anmut des Geistes zu kompensieren..." leierte er weiter seinen Text herunter, bevor er gedankenverloren hinzufügte: "Vergiss letzteres, das ist verlorene Liebesmüh. Und nach all den Jahren weiß ich da wovon ich spreche."
Er hustete trocken und fuhr fort: "Vertrauen in die Treue der Frau. Sie muss über jeden Zweifel erhaben sein. Hüte Dich vor zwielichtigen Plätzen und fremden Männern. Kleide Dich züchtig" - missmutig schweifte sein Blick über die verschwenderisch bestickten Tunika Terentias - " und verhalte Dich sittsam so dass du keinem Verdacht oder Gerücht zum Opfer fällst.
Zerstöre nicht die Harmonie der Ehe durch eigenwillige Widerworte oder dumme Ansinnen und Handlungen. Gehorch Deinem Mann, füge Dich seinen Wünschen und beharre nicht auf anderen Meinungen. Ich weiß das gerade dieser Punkt Dir sehr schwer fallen wird. Aber bei den Göttern, reiß dich zusammen!" Dieses mal traf der Zeigestock mit voller Wucht Fabas Nacken und Terentia hörte erschrocken mit ihrer Grimasse auf und starrte den Lehrer aus weit aufgerissenen Augen an.
"Über die Fruchtbarkeit muss ich wohl nichts weiter sagen. Erfreue Deinen Mann, sei ihm willig zu Diensten und die Götter werden Euch mit einer großen Kinderschar segnen." Sein Gesichtsausdruck wies darauf hin das ihn dieser Gedanke nicht wirklich erfreute. Anscheinend waren ihm schon seine beiden Schülerinnen zuviel.

Faba hatte ihn und seinen Unterricht gehasst. Das selbstgefällige Gehabe, die ewigen Wiederholungen, die Verachtung seinen Schülerinnen gegenüber. Wobei er sie als Sklavenmädchen vollkommen ignoriert hatte und all seine Bestrebungen nur Terentia und der Vorbereitung auf ihre Ehe galten.
Schönheit, Vertrauen, Harmonie und Fruchtbarkeit... wie Schreckgespenster spukten diese Wörter in ihrem Kopf herum. Sie hatte diese so oft um die Ohren gehauen bekommen das sie sich unwiderruflich in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte. Und ihr jetzt ordentliche Gewissensbisse bescherten.

Wie sollte sie ihrem Mann gegenüber ruhig und gelassen bleiben können wenn er sie so dermaßen aufregte, ihre Worte und Probleme so völlig ignorierte? Sie hatte sich heute wirklich beherrschen müssen um ihm nicht laut ihre Meinung zu sagen.

Eventuell waren sie beide einfach zu sehr mit sich und ihren Problemen beschäftigt. Sie selber war den ganzen Tag hektisch ihren Vorbereitungen für die Reise nach Tarentum nachgegangen, wo sie sich von den Verhandlungen mit den dortigen Winzern und Händlern viel erhoffte. Und Quintus, der tagelang über klein geschriebenen schwarzen und roten Zahlen gegrübelt hatte, litt wohl immer noch durch den verlorenen Kampf.

Aber diese Gnadenlosigkeit Msanaa gegenüber! Er drohte tatsächlich damit ihn an ein Bergwerk zu verkaufen. Vielleicht war der Gladiator wirklich schlecht... aber jeder Sklave kannte die Geschichten und Gerüchte über die Bergwerke. Es hieß das sie mörderisch waren. Einmal dort gab es keinen Weg mehr zurück. Keine Verdienstmöglichkeiten, die einen auf einen Freikauf hoffen ließen, keine Chance auf einen Verkauf, keine Fluchtmöglichkeit. Stattdessen nur mörderische Arbeitsbedingungen, die selbst die stärksten Sklaven innerhalb von Monaten fällten. Der Tod in Raten. Eine offene Drohung an jeden ungehorsamen und schlechten Sklaven. Und Faba hatte diese Geschichten häufiger gehört als viele andere.
Aber es half nichts, kein Flehen, kein Bitten, keine Erklärungen... Quintus war verstimmt ohne überhaupt den Kampf gesehen zu haben. Kalt und gefühllos. So hatte sie ihn bis jetzt noch nicht kennen gelernt. Sie spürte wie sich etwas tief in ihr zusammenzog. Fürchtete sie diese neue Seite an ihm?

Vor ihrem geistigen Auge erschien ein kleiner, halb verfallener Tempel. Das baufällige Dach wies zahlreiche große Löcher auf und wurde nur notdürftig von drei Säulen getragen. Ein besonders beeindruckend krummes und schiefes Gebilde war aus hastig geformten Ton, lieblos dahingeklumpt und schon voller Risse. Es wirkte so unwirklich dass es kaum zu glauben war, dass dieses tatsächlich einen Teil des Gewichtes tragen sollte. Und sobald der Zweifel da war, wackelte die Säule schon bedrohlich, was das ganze Dach zum Schwanken brachte. Hastig überdachte sie das soeben Gesagte und ihr generelles Benehmen der letzten Tagen.
Krachend zerplatzte der Ton und die Säule stürzte in Form eines sanften Staubregens zu Boden. Aber das Dach hielt stand. Sie atmete auf - sie hatte sowieso nie daran geglaubt.

"HALT!" Florinas Schrei ging durch Mark und Bein. Plötzlich sah man zwei leicht bekleidete junge Frauen flinkfüßig davon fliehen, gefolgt von der heftig keuchenden Köchin. Hektisch schaute sich diese um, hatte aber schon die Fliehenden aus den Augen verloren und stand jetzt hilflos vor der Taverne.
Bis eben hatte der beleibte Blondschopf noch vor Glück gestrahlt, immerhin hatte sie endlich die leer stehende Bäckerei mieten können, wobei der Einsatz kulinarischer Köstlichkeiten nicht ganz unbeteiligt war. Aber die "Hilfe" dieser zwei Sklavinnen, die sie sich irgendwie von Claudia ausgeborgt hatte, machte ihr sichtlich zu schaffen. Völlig erschöpft klagte sie dem Paar ihr Leid. Die verzogenen Dinger hatten sich als völlig nutzlos herausgestellt, waren mehr mit sich selbst als mit ihrer Aufgabe beschäftigt und vergrößerten das Durcheinander in der Bäckerei sogar noch durch ihr ungeschicktes Gebaren.
Florina lag der Umgang mit Sklaven wohl wirklich nicht, aber auch das Ehepaar war sich da nicht einig. Während Faba empfahl, die Sklaven das nächste mal einfach zu bestechen, in dem man ihnen eine warme Mahlzeit nach getanerer Arbeit in Aussicht stellte, schlug Quintus die Peitsche vor. Die Wirtin bildete sich ein das Knirschen von Tonstaub zu hören, als ihr Mann sich schließlich verabschiedete um schlafen zu gehen.

Gemeinsam betrat sie mit ihrer Freundin die geräumige Bäckerei. Dies wurde von einer riesigen Theke dominiert, mit der die frischgebackene Bäckerin gewiss ganze Kohorten verköstigen konnte. Dazu natürlich einen großen Ofen, der wohl selbst die kühnsten Backträume Florinas mühelos zu bewältigen vermochte. Das wichtigste waren aber die Fenster, die sich direkt zu der belebten Hafenstrasse öffneten und den Duft frischgebackenen Brotes nach draußen tragen würden. Gab es etwas wirkungsvolleres um hungrige Kundschaft nach drinnen zu locken?

Das ganze trübten nur die zahlreichen Spinnenweben und die dicke Mehl- und Staubschicht, die alles abdeckte. Stellenweise hatte sich wohl jemand mit etwas Feuchtem bemüht und es hatte sich ein sehr unappetitlicher grauer Brei auf dem Fußboden und den Wänden gebildet. Leise tropfte etwas Wasser eine der Wände hinab. Faba fragte sich zu was die Sklavinnen überhaupt gut sein könnten...

"Wenn Du magst helfe ich Dir..." schlug sie vor, nach dem sie sich ein Bild von dem allgemeinen Chaos gemacht hatte. "Wenn wir beide zusammen anpacken schaffen wir es bis morgen."

Florina blicke sie zweifelnd an. "Ist das nicht unter unserer Würde?"

Die Wirtin musste bei diesem unfreiwillig komischen Blick der so behütet aufgewachsenen jungen Frau unwillkürlich kichern. "Es sieht keiner, oder? Und ich vertraue dir mal dass du es nicht Quintus weiter erzählst."

Die blonden Locken flogen nur so durch die Gegend als die Bäckerin energisch den Kopf schüttelte. Flugs holte Faba saubere Tücher aus der Taverne während sich Florina großzügig aus dem Brunnen des calpurnianischen Ludus bediente. Wieder beim nächtlichen Tatort angelangt, begaben sie sich fröhlich plaudernd ans Werk. Tapfer reckte sich die Bäckerin auf die Zehenspitzen um die imposanten Spinnweben in Angriff zu nehmen, während Faba mit einem trockenen Tuch die Wände abrubbelte um den Staub zu lösen und erzählte fröhlich von ihrer Jugend.

"Was glaubst du, was ich alles erklärte, wenn ich in die Bredoullie geriet? Die wildesten Phantasiegeschichten. Als Sechsjährige versuchte ich felsenfest meinen Dominus zu überzeugen das ich kurzzeitig von Zyklopen entführt wurde und nur durch das Eingreifen eines griechischen Recken wieder freikam und erst dann - wenn auch leicht verspätet - meinem eigentlichen Auftrag ausführen konnte."

Ein Kichern war die Antwort: "Das hat er geglaubt?"

Sie lachte: "Ich glaube nicht. Er ließ sich aber so weit beeindrucken das er mir die Schläge ersparte und mir nur das Abendessen strich. Er war ein sehr weichherziger Mann.. Du hättest ihn kennen lernen sollen."

"Ohhh... Kein Essen?!?" Der Gesichtsausdruck Florinas drückte deutlich aus das dieses die schlimmste Strafe war die sie sich selbst in ihren wildesten Phantasien ausmalen könnte.

Letztendlich waren die beiden Freundinnen wohl doch verschieden.

Die Zeit verging wie im Fluge und schon eine Stunde später war die Bäckerei sauber und die Bäckerin staubbedeckt. Zufrieden betrachteten die beiden ihr Werk und beschlossen sich zum Abschluss des Abends im Bad zu säubern und zu entspannen.

Ruhig und majestätisch wie ein Berg Eischaum schwebte die Bäckerin neben ihr auf dem warmen Wasser dahin. Faba schloss die Augen und entspannte sich. Die Putzarbeit von eben und der nächtliche Einfall in das Bad war gewiss nicht das, was sich Peleus unter einem anständigen und sittsamen Verhalten ausmalte. Vor ihr erschien wieder der Tempel, dessen Dach nur noch von zwei Säulen getragen wurde. Sie trat näher und musterte die eherne Säule direkt vor ihr. Groß, gerade und mächtig wirkte sie, obwohl auch sie schon einige Scharten und Kratzer aufzuweisen hatte. Sanft strich sie mit ihren Fingerspitzen über sie. Kühl war sie.. und überall befanden sich kleine Spuren zahlreicher Leute und Begegnungen. Sie konzentrierte sich und versuchte das ganze mal aus der Sicht ihres ehemaligen Lehrers zu sehen.

Sie war die Wirtin einer Hafentaverne - sofort wurde der metallische Glanz stumpf und es zeigten sich die ersten Zeichen einer Korrosion. Sie arbeitete alleine bis spät in der Nacht für eine Kundschaft, die größtenteils aus Matrosen, Soldaten und sonstigen Nachtschwärmern bestand - tiefe Sprünge und Furchen klafften auf einmal in der Säule. Sie erinnerte sich an die vertrauliche Geste, mit der ihr Tiberius kürzlich bei ihrer Unterhaltung das Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte und wich gerade noch zurück um nicht von den losbröckelnden Erzbrocken getroffen zu werden. Und dann dachte sie an die harten Muskelsträngen die deutlich unter der narbigen Haut des Gladiators ertastbar waren als sie sich an seiner Rüstung zu schaffen machte. Laut knirschend stürzte die Säule in sich zusammen.
Was für ein weltfremder Mann...

Das verwahrloste Dach taumelte heftig, fing sich aber gerade noch und saß jetzt windschief auf der letzten verbliebenen Säule. Rund, schlicht und aus Marmor gehauen wirkte sie verglichen mit den anderen beiden Säulen geradezu filigran. Irgend jemand hatte sich sogar unbeholfen die Mühe gemacht, sie mit einer aufgemalten Efeugirlande zu verzieren.

 "Schönheit" also. Die unbeständigste aller Säulen. Sie seufzte - dann halt eben diese. Und war es nicht auch das, was ihr Mann an ihr immer am meisten gerühmt hatte?

Sie atmete tief aus und tauchte unter. Sie sollte nach der Reise noch einmal bei der Schneiderei vorbeigehen und neue Gewänder in Auftrag geben. Bei der Gelegenheit könnte sie auch gleich beim Goldschmied vorbeisehen.

Dienstag, 31. Juli 2012

Die Ersatzkatze schlägt zu

Hastig riss sie sich die Tunika von Leib. Das tiefe Rot wurde von unregelmäßigen, sich langsam rostrot verfärbenden Sprenkeln verziert. Blut. Viel Blut. Das Blut von Msanaa.

Und nicht nur auf ihrer Tunika, auch in der Arena und im Haus des Medicus - schier überall. Wer hätte gedacht das ein einzelner Mensch über soviel Blut verfügen könnte? Sie seufzte.
Eigentlich hätte heute der mysteriösen Kämpfer von Corinus gegen den Syrer antreten sollen, aber dieser war wegen irgend einem Zipperlein kampfunfähig. Schon seltsam, jetzt hatte sie ihn in der ganzen Zeit in der sie hier war noch nie kämpfen sehen. Entweder dieser Gladiator war wirklich so gut das er es nicht nötig hatte ständig anzutreten - oder so schlecht das er nicht mehr kämpfte um seinen Ruf nicht zu beschädigen.
Stattdessen hatte der offensichtlich von Großkatzen faszinierte Stadthalter mal wieder eine Tierhetze angesetzt und der Nubier war da als Retarius natürlich die erste Wahl. Aber dieser Gepard hatte es wirklich in sich gehabt.. und schließlich den erfahrenen Kämpfer fast vor den Augen des Publikums zerfetzt. In Gedanken an den Anblick des Raubtieres mit dem blutverschmiertem Gebiss, welches über dem riesigen Mann hockte und fauchte ließ ihr immer noch kalte Schauer über den jetzt nackten Rücken hinab laufen.

Sie verabscheute diese Art von Kämpfen. Das Gefecht Mensch gegen Mensch war etwas völlig anderes, ein spannender, mitunter tödlicher Wettkampf nach jahrhundertealter Tradition. Aber diese Bestien berührten etwas tief in ihr - die Furcht vor der grausamen Natur mit ihren wilden Launen. Eine Natur deren tödliche Tücken unberechenbar losschlagen konnte. Wie bei Terentia und ihrer Familia.... Wütend kickte sie die Tunika in die Ecke.

Der Sklave hatte nur wegen dem beherzten Eingriff des Tierführers überlebt, was durchaus nicht jeden im Publikum erfreut hatte. Völlig aufgelöst war sie nach dem Kampf zum Medicus gestürmt und hatte wie wild gegen seine Tür geklopft. Als sie ihn schließlich erfolgreich nach draußen gelockt hatte, wurde auch schon der Nubier achtlos von den Sklaven der Arena vor die Füße der beiden geschmissen.

Gemeinsam hatte sie es irgendwie geschafft den massigen Mann hinein auf den Behandlungstisch zu wuchten, wobei sie glücklicherweise nur dessen Helm verloren und nicht die Eingeweide, die schon neugierig aus der von scharfen Krallen gerissenen Bauchwunde lugten. Fassungslos starrte Faba darauf, als Tiberius sie aufforderte den Armschutz abzunehmen. Automatisch gehorchte sie seiner ruhigen, klaren Anweisungen - die Instinkte jahrelangen erzwungenen Gehorsams ließen sich nicht einfach abschütteln und gaben ihr in dieser so unwirklichen Situation Halt. Blut benetzte ihre Kleidung, während sie so gut sie konnte half und sich dabei langsam beruhigte.

Es tat gut, nicht mehr das ganze völlig hilflos von der Tribüne ansehen zu müssen (auf den Platz hatte man sie jetzt nach der Heirat mit Quintus verbannt) sondern handeln zu können. Gegen die Ohnmacht anzukämpfen. Tiberius gefasste Gelassenheit faszinierte sie, während er sich zuerst daran machte die Wunden mit Wasser - sie roch ganz eindeutig Kamille, vielleicht ein Tee? - auswusch, die schlimmsten Wundränder begradigte und vernähte. Er hatte wohl schon trotz seiner Jugend viel Schlimmes gesehen und dennoch seinen trockenen Humor bewahrt.
Der Retarius wurde unruhig, sein Kopf zuckte hin- und her während er Unverständliches murmelte. Drängten sich die Schmerzen doch bis zu seinem delirienhaften Dämmerzustand durch? Sanft strich die Wirtin mit einem befeuchteten Tuch über seine fieberheiße Stirn und versuchte ihn zu beruhigen. Sie hatte nicht gesehen das er einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte, aber vielleicht hatte er sich auf die Zunge gebissen und nuschelte deswegen so komisches Zeug? Oder war das Nubisch?
Entweder ihre Ohren gewöhnten sich langsam an die barbarischen Klänge oder Msanaa hatte dann doch ins lateinische gewechselt, auf jeden Fall konnte sie jetzt einige Satzfetzen verstehen. "Keine Siege, kein Wert, warum nicht sterben lassen in Arena..."
Sie verstrich ihren guten Honig zur Abwechslung auf den frisch genähten Wunden des Sklaven anstelle des üblichen leckeren Brotes. Zur Desinfektion, wie Tiberius sagte. Ein Glück das sie ihren Traubenmost nicht wie üblich mit Bleizucker süßte.

Mit der tatkräftigen Hilfe von Corinus wurde der Verletzte schließlich zum Ludus transportiert und dort Sabrinas Obhut überlassen. Wie konnte ein Mann der in der Öffentlichkeit lautstark den Tod von jemandem eingefordert hatte diesem ohne mit der Wimper zu zucken helfen? Der Lanista war voller Widersprüche.. aber tief in ihm steckte wohl wirklich ein gutes Herz.

Fröstelnd schlüpfte sie unter die dünne Decke. Morgen würde sie versuchen den Blutflecken bei zu kommen. Ob der Kämpfer überleben würde, der ihr gegenüber immer so höflich gewesen war? Selbst Tiberius war sich da anscheinend nicht sicher gewesen.
Ihre Hilfe war ebenso wenig uneigennützig gewesen wie die des Medicus. Sie wollte Quintus nicht begegnen wenn einer seiner Gladiatoren gestorben wäre ohne das sie für sein Hab und Gut gekämpft hätte.

Hohl hallte das Versprechen in ihrem Kopf, das sie dem von Zukunftsängsten geplagten Gladiator gegeben hatte: "Quintus wird dich nicht umbringen lassen, das verspreche ich Dir." Es stand im direkten Widerspruch zu ihrem Abkommen mit Quintus das sie sich nicht in Dinge einmischen würde die mit seinem Ludus zu tun hätten. Welches der beiden Versprechen war wichtiger?

Sonntag, 29. Juli 2012

Bildungslücken

Wütend kratzte der Griffel über das weiche Wachs der Schreibtafel und förderte dort immer mehr wackelige, widerspenstig in alle Richtungen weichende Buchstaben zutage. Die alte Wirtin wurde es nicht leid ihr Schriftbild und ihre "Ottergraphie" zu bemäkeln und so nutzte sie ihre freie Zeit, um an sich und dieser verhassten Fähigkeit zu arbeiten. Das Lesen gelang ihr mittlerweile ganz gut, sie schaffte es sogar die Lippen mit äußerster Willensanstrengung ruhig zu halten und auch ihre Zunge auf der richtigen Seite von ihnen zu positionieren. Ein grimmiges Grinsen huschte über ihre sonst so gefälliges Gesicht - Terentia hatte sie früher immer wieder aufgezogen dass sie beim Lesen auf diese biss und die Zungenspitze fröhlich im Takt der Buchstaben hin- und herhüpfte. Das Schreiben jedoch - das war eine echte Folter. Nur das Versprechen der alten Wirtin gegenüber und die Furcht vor der Entdeckung dass die Frau des Lanistas schlechter schrieb als ein siebenjähriges Kind wirkten Wunder.

Und das Gefühl von zielloser Wut half auch. Sie hatte eben Serena gestellt und auf ihr Verschwinden von gestern angesprochen.
"Ich habe Dich in eine missliche Lage gebracht? Inwiefern denn?" hatte sie noch halb verträumt erwidert und dann tatsächlich einen Moment nachdenken müssen. Missmutig stieß sie den Griffel tief in das duftende Wachs. Und die endgültige Antwort befriedigte sie auch nicht wirklich. "Verzeih aber - nun ja, Dominus versprach mir Dir auszurichten das er mich fortgeschickt hatte um den Gästen die Insulae zu zeigen". Wahrscheinlich log Serena noch nicht einmal. Corinus wäre das durchaus zuzutrauen - und nichts war für eine Taverne schadhafter als unzufriedene Gäste die dann womöglich noch ihr Leid in alle Welt herumposaunten. Aber war es tatsächlich in böser Absicht geschehen? Nachdenklich wischte sie sich einen Krümel Wachs von der Wange. Sie wusste es nicht. Der Mann war in seiner Launenhaftigkeit unberechenbar. Letztendlich hatte sie der Sklavin dann einfach zwei Sesterzen für ihr Peculium gegeben - sie würde ihre Aussage nicht überprüfen können und das Trinkgeld war bei dem Ausleihen fremder Sklaven durchaus üblich.

"Salve Faba". Sie schaute zu Agape auf und versteckte die Wachstafeln sofort, während sie spürte wie das Blut in ihre Wangen schoss. Die Hetäre hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und verzichtete zum ersten mal in Fabas Gegenwart auf ihre übliche Jagdgebaren. Bei einem Becher Wein waren die beiden schnell in eine angeregte Unterhaltung über ein Fest zu Ehren von Dionyseus - sie nutzte den griechischen Namen für Bacchus - vertieft, welches Agape plante. Ein herrlicher Gedanke - sie würde gewiss viel Wein dafür benötigen und Faba plante sowieso, am Ende des Monats einen ihrer Weinlieferanten zu besuchen um die Preise neu zu verhandeln. Wenn sich die beiden zu einer Großbestellung zusammen tun würden könnte man den Gesamtpreis weiter drücken. Wieder hörte sie das Prasseln frisch geprägter Münzen in ihrem Kopf. Leider sollte das ganze aber erst nach dem Fest von Corinus stattfinden - sie nutzte die angesichts ihrer Tätigkeit äußerst interessante Formulierung "Ich will ihm gefällig bleiben". Wie auch immer, dieses ominöse Fest war zwar schon seit Monaten angekündigt, aber schien in seiner Planung nicht weiter voran zu schreiten. Wirklich schade.

Sie wurden von den beiden Gladiatoren unterbrochen die wie zwei völlig verschüchterte Jungen verlegen zu ihnen getrottet waren. Höflich erkundigten sie sich nach dem Haus von Agape, ohne dessen Besitzerin zu erkennen die ihren Blick wohlwollend über die muskulösen Körper gleiten ließ.

"Mein Bruder hier haben sozusagen eine Lehrstunde bekommen geschenkt von Dominus Granatus" begann Thalab, nachdem die Hetäre sich vorgestellt hatte. Schließlich attestierte er Msanaa "ge-fähr-li-che Lücken in Sachen von Bildung in die-ser Hinsehen." Dieser widersprach ihm: "Warum ich mir sollen ansehen Fell? Reichen nicht wenn erklären was für Fell?". Und es schien auch nicht der einzige Punkt zu sein in dem sich die beiden unklar waren: "Corinus nix zahlen. Ich verstanden hab das soll bezahlen unsere Dominus."

Erst einige heftige Wortwechsel später fand sich heraus was eigentlich passiert war. Thalab hatte anscheinend ein Wort benutzt das Msanaa nicht geläufig war und Corinus hatte darauf hin in einer wohl missverständlichen Formulierung gesagt das Agape ihm da wohl weiterhelfen könnte. Thalab legte den Satz sofort zu Msanaas Gunsten aus während dieser das ganze pessimistischer - und wahrscheinlich damit auch realistischer - deutete.

Als klar war das Agape sich nicht auf einen finanziell so zweifelhaften Auftrag einlassen würde schlurfte Thalab kopfschüttelnd davon und ließ den verwirrten Nubier alleine mit den Frauen zurück.
"Hey, Du nicht könne werfen mit Worten um dich und dann mich sterben lassen dumm! Was denn nun sein mit diese Fell.....Fellutzi....Fallizita........verdammt!" Msanaa floh angesichts dieser Tatsache dem anderen Gladiator hinterher und brüllte weiter: "Was sein das für eine Erfindung dieses Fellatio!?!"

Nachdem Agape gegangen war spülte Faba nachdenklich das Geschirr. Sie hatten sich noch lange über den Beruf der Hetäre unterhalten während das leise Stöhnen und heftige Atmen eines Liebespaares - die Liebesdienerin hatte ihr versichert das es sich hierbei keinesfalls um Straßenköter handelte - irgendwo da draußen in den Gassen das Gespräch auf beinahe gespenstige Art und weise untermalte. Einige Satzfetzen schwirrten ihr immer noch unermüdlich durch den Kopf. Agape war ohne Zweifel eine beeindruckende Frau - hinter dem hübschen Körper steckte ein äußerst wacher Geist. Etwas, das in ihren Augen weitaus gefährlicher, wenn auch - sie musste es sich eingestehen - anziehend war.

Sie nahm sich fest vor Quintus zu fragen was denn nun eine Fellation war.

Samstag, 28. Juli 2012

Enttäuschungen

Hell und freundlich leuchtete das warme Licht einer Öllampe aus dem Fenster des Ludus. Ein Orientierungspunkt in der tiefen Schwärze der letzten Nachtstunden. Ein leises Rascheln neben ihr - sie presste sich instinktiv in den Schatten einer Hausmauer. Warm strahlten die gebrannten Ziegel noch den Rest der Tageshitze ab, während sie ängstlich in die Dunkelheit starrte. Die Nächte waren nicht ungefährlich, in den menschenleeren Gassen verschwand so einiges. Man sorgte für seinen eigenen Schutz oder lebte mit den Konsequenzen - im Idealfall ohne die Aufmerksamkeit des völlig korrupten Rechtssystems zu erregen. Plötzlich sprang ein grauer Schemen vor ihre Füße, fauchte leise und huschte davon. Eine Katze.. erleichtert atmete sie auf. Schnell hastete sie das kurze Stückchen zum Ludus, öffnete die Tür und ging auf Zehenspitzen die Treppenstufen hinauf zu ihrem Mann.

Der Tag war eine echte Enttäuschung gewesen. Beziehungsweise eine Aneinanderkettung diverser Enttäuschungen. So als ob die Götter beschlossen hätten heute mal ausgiebig zu zeigen was den Menschen drohen konnte. Das sie letztendlich doch nichts anderes waren als armselige Sterbliche, einsam und hilflos ihrem Los ausgeliefert, welches die Parzen schon lange vor der Geburt bestimmt hatten.

Irgendwie war jeder unzufrieden gewesen. Msanaa hatte am Hafen gelungert und gehofft, seine Muskeln und sein Peculium zu stärken indem er bei dem Entladen von Schiffen aushalf. Aber der Hafen war leer, selbst das Schiff des Ägypters hatte gerade abgelegt. So bot er Faba seine Hilfe an als Florina dazu kam und mit todtrauriger Stimme einen Gruß murmelte.

"Du bist doch der Gladiator der vor einigen Tagen gegen die Frau verloren hat" schleuderte sie dem Gladiator sofort ins Gesicht, wohl wissend das sie damit frische Wunden wieder aufriss. Das Angebot mit Msanaa einkaufen zu gehen um die Vorräte der Taverne aufzufrischen schlug sie aus und stichelte gnadenlos weiter auf den wehrlosen Sklaven ein. Auch Fabas Einwand das Msanaa ja gegen den Geparden gewonnen hatte, fruchtete nicht. Florinas Stimmung war auf einem absolutem Tiefpunkt und sie hatte es darauf angelegt zu verletzen. Herrisch forderte sie das der Nubier Serena tragen sollte um zu beweisen das er stark genug wäre ein Fass zu heben - eine absurde Idee in die sie sich völlig verrannte.

Unerwartet brach sie auf einmal in Tränen aus und rannte davon, verfolgt durch die verwirrten Blicke der Anwesenden. Die Wirtin seufzte: "Ich versuch mal mit ihr zu reden... Serena, kannst du dich derweil um die Taverne kümmern?" und machte sich auf die Suche.

In dem kleinen Park vor dem Bad fand sie Florina schließlich heulend auf einer Bank sitzen. Stockend, schniefend und reichlich verworren begann diese unter Tränen von ihrem Kummer zu erzählen.

Sie war am Hafen wohl jemandem begegnet der ihren Marcus kannte und ihm wohl von der Verlobung erzählt. Doch dieser hatte sie nur ausgelacht und behauptete, das Marcus sich kaufen ließe um Frauen zu beglücken oder zu betrügen - etwas von dem Faba noch nie im Leben gehört hatte. Wo lag bei so etwas der Nutzen? Und warum jemand dafür bezahlen wenn es doch Sklaven gab? Wer hätte denn ein Interesse daran gehabt das Florina verführt würde?

"Vater hat ihn wohl sehr gut bezahlt damit er mich ein wenig zufriedener macht und ich keine Dummheiten, weil... weil doch der neue Kandidat sich verspätet hatte... und.... Vater auf Reisen doch war" Florinas Antworten blieben rätselhaft. So langsam kam Faba der Gedanke das dieser "Bekannte" sich das ganze einfach ausgedacht hatte um die mit sich selbst so hadernde kleine Frau zu verletzen.

Nun berichtete sie auch zum ersten Mal über die Details ihrer Flucht. Es war nicht Marcus gewesen, der die Händlertochter überredet hatte zu fliehen. Sie war es, die ihm einfach eine Botschaft geschickt hatte mit der Aufforderung sie in einer Woche hier zu treffen und dann ohne eine Antwort abzuwarten vorreiste. Noch nie war es Faba so schwer vorgekommen nicht das offensichtliche zu sagen.
Amors Gift war tückisch - aber hier schien es wahre Meisterleistungen mit Florina vollbracht zu haben. Wie konnte man einem anderen Menschen derart blind vertrauen? Kein Wunder das er nicht hier war.

Aber diese Begegnung hatte zumindest etwas gutes - Florinas Liebe war schlagartig in Hass umgeschlagen und die junge Frau machte sich zum ersten Mal ernsthafte Gedanken über ihre Zukunft. Gemeinsam schmiedeten die beiden Frauen Pläne. Neben der Taverne befand sich ein leeres Haus das dem verwittertem Schild nach einst eine Bäckerei gewesen war. Und die Idee, diese zu mieten und wieder in Betrieb zu nehmen hob die Stimmung der Enttäuschten schlagartig. Faba gefiel der Gedanke - so hätte sie gewiss die Möglichkeit einfach und günstig an gutes Brot und andere Köstlichkeiten zu kommen.

Und dann die Enttäuschung als sie bei der Taverne angekommen war. Serena hatte ihr Versprechen gebrochen und war verschwunden. Stattdessen traf sie zwei neue Gäste an, die offensichtlich wegen der Wartezeit sehr verstimmt und hungrig waren. Sie schluckte einen lauten Fluch hinunter. Als sie gegangen war hatten hier drei Sklaven untätig herumgelungert - warum war keiner von ihnen losgeeilt um ihr Bescheid zu geben?

Zudem schienen die Gäste außerordentlich anspruchsvoll zu sein - aber glücklicherweise schien Florinas Kochkunst die Stimmung wieder halbwegs zu retten. Sogar die offensichtlich naschsüchtige Gladiatrix hatte noch einmal vorbeigeschaut um ein paar Datteln abzustauben und die späte Gesellschaft mit ihrer lebhaften Art zu unterhalten.

Dennoch blieb ein schales Gefühl am Ende des Tages zurück. Warum hatte Serena sie im Stich gelassen? Wie konnte Florina so grausam sein und ihre Launen an wehrlosen Sklaven ausleben? Sie hatte versucht ihr zu erklären wie sich so etwas für einen Sklaven anfühlte und die junge Frau schien auch ein schlechtes Gewissen deswegen zu entwickeln. Aber was würde das nächste mal passieren wenn Florinas Gefühle wieder so mit ihr durchgingen? Die Frau kam ihr immer mehr vor wie ein zweischneidiges Schwert...

Mit einem Lächeln auf den Lippen stand sie jetzt oben neben der Öllampe. Vor ihr lag friedlich schlummernd Quintus, seinen Kopf sanft auf einem Stapel Rechnungen gebettet. Liebevoll nahm sie ihm die Schreibfeder aus der schlaffen Hand und legte sie auf den Schreibtisch.

Ob sein Abend wohl besser gelaufen war?

Donnerstag, 26. Juli 2012

Fruchtbarer Boden

Viel zu wach starrte sie an die Zimmerdecke. Wieder das ruhige Atmen neben ihr, an das sie sich jetzt schon fast gewöhnt hatte. Dieses mal würde sie ausschlafen und genießen, dass jemand anderes ihr Frühstück zubereitete. Aber wieso fand sie dennoch keinen Schlaf?
Wie kam es das sie jetzt schon an ihrem Mann gezweifelt hatte?
Sie schloss die Augen und ließ den Abend noch einmal Revue passieren.

Zuerst war ein neuer Gast in der Taverne aufgetaucht. Offensichtlich knapp bei Kasse, dafür aber reich an Worten. Sie kannte diese Art Mensch. An unsteten Orten wie ihrer Hafentaverne begegnete man ihm immer wieder. Bei der Armee gedient, zuviel gesoffen und gehurt, dann nach der üblichen Laufzeit ausgeschieden oder schlimmer, unehrenhaft wegen Disziplinlosigkeit oder eines anderen Vergehens entlassen worden und jetzt auf einmal ohne Geld und Sicherheit gestrandet. Ziellos herumirrend wie ein losgeschlagenes Segel im Wind. Sie lächelte ihm freundlich zu - dem Alter nach könnte er tatsächlich die Dienstzeit auf ehrenvolle Art und Weise beendet haben.
Die Frage ob sie hier alleine wäre - kein gutes Zeichen. Sie war fast dankbar als Agape - offensichtlich auf der Jagd nach betuchter Beute - um die Ecke kam und sich der Taverne näherte.

Und da war sie schon, die erwartete Frage: "Gibt`s hier in der Stadt noch Arbeit ? Ich suche nämlich zufällig gerade welche..."
Natürlich hatte er kein produzierendes Handwerk erlernt. Einfache Arbeiten suchte er - ahh, da war sie auch, die Erwähnung der Armeezeit - und das Angebot Leute raus zu schmeißen. Währenddessen hatte Agape schon ihre Ware eindrucksvoll auf der Bank drapiert und ging in den Angriff über. Vielleicht konnte sie ihm tatsächlich eine Arbeit verschaffen, immerhin war sie ja noch dabei ihr Lupanar aufzubauen und ein starker Mann für unliebsame Gäste war gewiss nicht verkehrt. Und wenn sie keine Arbeit für ihn hatte, so schien sie dennoch darauf erpicht ihm ein anderes Angebot zu machen.

Quintus erschien und sie ließ ihre Gäste allein um in der Taverne die Bestellungen zu erfüllen. Kurz darauf erschien Florina bei ihr mit einem überaus traurigem Gesichtsausdruck. Anscheinend dämmerte der fleischigen und eingefleischten Optimistin jetzt auch, das ihr Verlobter trotz aller Erwartungen immer noch nicht erschienen war. Faba umarmte sie tröstend und bot ihr an die Küche benutzen zu dürfen, bevor sie wieder nach draußen eilte um ihren Gästen die Getränke zu reichen.

Draußen bekam sie nur vereinzelte Gesprächsfetzen mit bevor sie wieder nach drinnen lief um neugierig der Kochbegeisterten bei ihren kulinarischen Künsten zuzuschauen und ihr ein wenig Trost und Hilfe zu spenden. Wie sie Dinge kombinierte! Ei mit Obst und gutem Wein.. aber der gute Geruch schien ihr Recht zu geben.
"Du solltest wirklich etwas aus deinen Kochkünsten machen" schlug Faba vor bevor sie wieder nach draußen ging um den Gästen auch etwas von dem Gericht anzubieten, die Menge war ohnehin überaus reichhaltig bemessen - was man auch über die eingesetzte Portion Pfeffer sagen konnte.

Und irgendwie war ab hier alles vollkommen schief gelaufen. Nachdem die veredelten Birnen großzügig auf alle Anwesenden verteilt worden waren hatten sich die beiden Frauen nach draußen begeben und zu den Männern an den Tisch gesetzt, während Agape wegen einem Termin davoneilte. Aber das Gespräch war aber auch missverständlich gewesen...

"Es gibt also zwei Ludi in dieser Stadt und euer Konkurrent macht euch momentan Probleme?" sagte der Fremde, den Quintus eben Pinto genannt hatte.

"Jeder Konkurrent ist ein Problem, aber dieser ist ein Emporkömmling. Er hat den Ludus geerbt und mit ihm ein Tier von einem Gladiator, welcher meinen Favoriten fast in Stücke zerschlagen hat. Damit habe ich nicht nur einen guten Gladiator verloren, sondern auch den jahrelangen Titel als erster Ludus von Brundisium." erwiderte Quintus.

"Aber einen Mann kann man doch knacken- wenn er ein Tier ist, ist er bestimmt nicht besonders beliebt....Wie heißt dieser Ludusbesitzer? Mir scheint er hat nur gewonnen weil er den richtigen Mann im Ludus hatte - nicht weil er weiss wie man einen Ludus führt".

Heiß brannte sich der Pfeffer in Fabas Kehle und sie rang nach Luft. Wasser! Dankbar nahm sie Pintos Angebot an und bediente sich großzügig aus seinem Wasserkrug, während alles um sie herum von dem heißen Brennen in ihr verdrängt wurde.

Und dann Pintos letzter Satz: "Hey es sieht aus als würden wir beide von 'ner Zusammenarbeit profitieren. Ich versuche diesen Typen platt zu machen und wenn`s mir gelingt zahlst du mir `ne angemessene Belohnung- wenn nicht hab ich halt Pech gehabt aber du hast`s versucht..."

Argwöhnisch musterte Faba die beiden Männer. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein? In ihrem Kopf überschlugen sich alles. Heuerte ihr Mann gerade in aller Öffentlichkeit einen Mörder an um den unliebsamen Feind loszuwerden? Bei den Göttern, der Verdacht würde sofort auf ihn fallen... Wie konnte er nur so leichtfertig sein? Bei all den seltsamen Unglücksfällen die Corinus in letzter Zeit passiert waren und deren er Quintus beschuldigte - Nein, das war viel zu gefährlich.

Und er zuckte nur mit den Schultern: "Mir ist jedes Mittel recht. Hauptschache ist, der Ludus Granatus bekommt mal wieder einen Dämpfer". Die Antwort ihres Mannes beruhigte sie kein bisschen.

"Quintus, wenn man dich dafür verantwortlich macht und den Löwen zum Fraß vorwirft..." sie wagte es gar nicht den Satz zu beenden.

"Wieso verantwortlich? Es würde ein ehrenwerter Kampf in der Arena werden." sagte er erstaunt und auf einmal verstand sie worum es wirklich ging. Quintus versuchte nur Pinto als Gladiator anzuheuern! Ach, wie hatte sie dieses so Selbstverständliche so falsch verstehen können? All die kleinen Gemeinheiten, die Sticheleien, die Anschuldigungen von Corinus... Wie war es so weit gekommen das sie bei ihr auf so fruchtbarem Boden fallen konnten? Wie hatte sie ihren Mann für derart naiv halten können?

Unruhig wälzte sie sich hin und her. Quintus hatte ihr verziehen. Aber konnte sie sich selber diesen hässlichen Verdacht jemals vergeben?

Samstag, 21. Juli 2012

Zwischen den Häusern

Natürlich kam es wie es kommen musste. Und dabei hatte alles so harmlos angefangen...

Laut krachten vor den neugierigen Zuschauen in der Taverne Tamaras und Msanaas Waffen aneinander. Riesig und mächtig erhob sich der dunkle Kämpfer drohend vor der selbstbewussten Gladiatrix. Jeder seiner beeindruckenden Muskeln war angespannt als er seine ganze Stärke in die wilden, wuchtigen Angriffe steckte. Aber die Kämpferin erwies sich als überaus wendig und wich immer wieder aus, während sie selber nicht weniger heftige Konterattacken startete. Dennoch entschied ein erfolgreicher Treffer Msanaas indirekt das Ende des Kampfes, als sein hölzerner Dreizack auf Tamaras ungedeckte Brust stiess. Er zerriss ihr ohnehin schon knappes Oberteil und grub drei hässliche Wunden in die vor Schweiß glänzenden Haut. Hilflos verlor das strapazierte Stoffstück den Kampf gegen Tamaras Rundungen nun endgültig und flüchtete sich vom Wind getragen zur See.
Die Feststellung das seine Kontrahentin nicht nur über einen Holzspeer sondern zudem auch noch sehr offensichtlich über die wohl gerundeten Waffen einer Frau verfügte, war zuviel für den gestandenen Kämpfer, der offensichtlich nur männliche Gegner gewohnt war. Während diese Neuentdeckung seine ganze Aufmerksamkeit fesselte, hatte Tamara die Gelegenheit geschickt genutzt und fällte den verblüfften Kämpfer mit einem gut gezielten Speerwurf.

"Das gibt es nicht, nun hat sie auch noch dieses hirnlose Tier besiegt!" rief Corinus erstaunt aus, als Msanaa offiziell aufgab. Er hatte kaum den Blick von dem Kampf wenden können und auch Majas Frage völlig überhört. Anscheinend hatte der ehemalige Gladiator auch wieder angefangen heimlich mit Tiberius zu trainieren - um ein wenig in Form zu bleiben: "Ich will eben nicht dick werden wie Quintus."
Schockiert schaute die Wirtin mit sich rötenden Wangen zu ihm: "Dick!?! Kein bisschen! Stark und muskulös..." Erst als sie Corinus Geschichtsausdruck sah bemerkte sie was sie da gerade behauptete nachdem er sie so unsanft aus ihren Tagträumen riss.

Wie eine Katze die ihre Beute fixierte richtete sich sein Blick auf die jetzt vor Aufregung geweiteten Augen der frisch Verliebten und seine Stimme wurde hatte auf einmal etwas lauerndes, als er ruhig sagte: "Sag Faba, hast du gewusst das Quintus Impotenz nachgesagt wird?"
Die Wirtin war reichlich verwirrt und erst ein heftiger Stoss von Florina - welche aus doch sehr sichtbaren Gründen noch nie gut auf das Thema anzusprechen war- schafften es ein wenig Ruhe in die rasenden Gedanken von Faba zu bringen.
Sie zwang sich zu einem unschuldigen Lächeln: "Ich frage mich wie man etwas derartiges bei einem unverheirateten Mann feststellen möchte..."
"Nun es gibt Sklavinnen genug..", Corinus blickte zu der Sklavin seiner Frau, "Raissa kann ja mal demnächst testen ob die Gerüchte stimmen." Das war keine Aussicht die Faba sonderlich behagte. Seufzend schüttelte sie den Kopf und bemerkte mit bemüht herablassendem Tonfall, etwas was ihr einfach nicht gelingen wollte: "Nicht jeder hat es nötig sich anderen aufzuzwingen".
Aber Corinus hatte den Braten schon gerochen, sein breites Grinsen sprach Bände. Bei den Göttern, der Kerl war schlimmer als ein trainierter Sklavenhund. Fluchtartig stürzte Faba in ihre Küche unter dem Vorwand sich noch etwas Wein zu holen.

Sie lehnte sich gegen den Schrank und versuchte sich erstmal zu beruhigen. Sie hätte wohl genauso gut in riesigen Buchstaben eine Liebeserklärung an das Ludus Calpurnianus schreiben können. Was war denn mit ihr los? War ihr Verstand denn zusammen mit der alten Wirtin abgereist? Sie hatte sich dazu hinreissen lassen zwei Nächte mit einem Mann zu verbringen - aber ohne die dritte Nacht wären sie nur Quell für Spott und Hohn. Ehefrau oder leichtes Mädchen - solange das nicht entscheiden war sollte sie sich besser bedeckt halten. Vor allem weil tief in ihr immer noch ein Funken Zweifel glomm.

Als sie sich so weit gefasst hatte das sie sich wieder nach draußen traute verabschiedete sich das Paar auch schon - etwas was Faba unter diesen Umständen dann doch mehr als Willkommen war.

Um sich und die immer noch sehr schwärmerische Florina ein wenig abzulenken starteten die beiden einen nächtlichen Streifzug durch Brundisium während sie sich lebhaft unterhielten. Es tat gut einfach und unbefangen über die eigene Vergangenheit und die Zukunft reden zu können. In Florina schien sie zum ersten mal nach Terentia wieder eine Freundin gefunden zu haben - jemand dem sie vertrauen konnte und der einen verstand, auch wenn man sich selber gerade fremd war.

Aber manchmal schockierte es sie doch wie oberflächlich die rundliche junge Frau dachte.
"Hübsch" war ihr Lieblingswort. Und wie stark sie auf Äußerlichkeiten achtete..
Faba schluckte. Sie hatte selbst bei ihrer Milchschwester miterlebt wie vergänglich Schönheit war. Aber wie konnte man so etwas vermitteln? Florina glich in der Hinsicht einem Nachtfalter der magisch von dem Licht jeder Öllampe angezogen wurde ohne zu bemerken das dort doch nur der eigene Tod in den trügerischen Flammen lauerte. Aber vielleicht musste jeder diese Erfahrung selber machen.. und wie es aussah stand Florinas Lektion bald bevor, da sich ihr Marcus immer noch nicht hatte blicken lassen.

Sie zeigte ihr den Schleichpfad hinter der öffentlichen Latrine der direkt zu der riesigen, jetzt in Dunkelheit gehüllten Arena führte. Groß und mächtig erhob sie sich über ganz Brundisium - aber trotz der vorgerückten Stunde war sie nicht menschenleer. Ein Schauspielerpaar hatte sich eingefunden und tobte wild zitierend durch die leeren Ränge und wagten sich am Schluss sogar auf den hellen Sand hinab. Fasziniert beobachteten sie das Treiben der beiden und Florina reagierte sehr heftig als sie bemerkte das der dort unten aufgeführte Heiratsantrag dann doch nur gespielt war.
Auf einmal weiteten sich ihre Augen und sie streckte den Arm aus um hinter die beiden Schauspieler zu deuten. Laut und angstvoll peitschte ihr Ruf durch das riesige Gebäude: "Da! Die Löwen kommen!" Faba unterdrückte ein lautes Lachen, als zumindest der junge Mann dem ungeahnten schauspielerischem Talent der leidenschaftlichen Köchin erlag. Man sollte sie doch nicht unterschätzen...

Gutgelaunt ließen sie die beiden zurück und wandten sich wieder dem Heimweg zu. Wortgewaltig hatte Florina ihr die Grauen ihrer zwei Ehen erzählt - von dem Tod des ersten Scheusals beim Vollzug der Ehe in der ersten Nacht und der lieblosen Behandlung durch seinen Nachfolger. Das Leben hatte es wirklich nicht gut mit ihr gemeint und so verwunderte es nicht, das sie der dritten unfreiwilligen Ehe entfloh.

Der Ehe entfliehen.. schon wieder das Thema. All ihre Gedanken drehten sich nur noch um diese schon nicht mehr junge Nacht. Sie standen vor dem Ludus in dem Quintus auf sie wartete.. wahrscheinlich mal wieder mit Unmengen von Papier vor sich.

Die dritte Nacht die alles entschied. Florina hatte sich nach einem ganzen Schwall wohlmeinender Worte verabschiedet und Faba stand nun alleine zwischen der Taverne und dem Ludus. Nur noch wenige Stunden bis zum Sonnenaufgang... und diese sollten entscheiden wie ihr Leben weiter verlaufen würde.

Welchen Weg sollte sie wählen?

Sonntag, 15. Juli 2012

Von einem Kater, dem Kochen und den Freuden an kaltem Wachs

Still und heimlich stahl sie sich im Morgengrauen aus dem Bett, klaubte ihre verstreut herumliegenden Sachen zusammen und schlich auf Zehenspitze zur Treppe, während sie angespannt dem Atem des Schlafenden lauschte. Gleichmäßig und ruhig teilte er die Stille vor dem Morgengrauen in kleine, regelmäßige Abschnitte. Einatmen, Ausatmen - sie zog die Tunika über ihren Kopf, was der eh schon völlig zerzausten Frisur nicht weiter zuträglich war. Ein metallisches Schnappen und der billige Gürtel saß wieder an ihrer Taille. Hastig drapierte sie ihr Schultertuch um Haupt und Oberkörper um nicht allzu schnell erkannt zu werden. Die Schuhe nahm sie in die Hand als sie leise hinunter huschte und durch die offene Haustür wie eine Diebin davon eilte. Die zweite Nacht. Sie schluckte. Immer noch waren ihr die Morgen danach peinlich. Traf sie ihn in der Öffentlichkeit waren ihre Blicke und Berührungen immer noch scheu und verstohlen. Würde sich alles ändern wenn sie nun offiziell zusammen waren? Welche Veränderungen würde es überhaupt geben? Tief in ihr lauerte immer noch die Sklavin die sie einst war - wie sollte sie so eine gute Domina sein?

Sie unterdrückte ein Gähnen. Die zweite Nacht mit viel zu wenig Schlaf.

Kein Wunder, dass sie gestern erst viel zu spät in der Taverne angekommen war. Anscheinend hatte sich aber Raissa, die Sklavin von Maja schon um die Getränke gekümmert, denn sie stellte gerade einen Becher Wein vor ihre Herrin, die sich angeregt mit dem Sohn ihres Gatten und Agape über Schmuck unterhielt.

Und wie Florina ausgesehen hatte! Die Arme war ihrem Gesichtsausdruck und den Bewegungen nach zu urteilen vollkommen verkatert nach dem reichlichen Weingenuss von gestern und selbst kühles Wasser vermochte ihre Leiden nicht zu lindern.
Es kam der Vorschlag auf ihr Wein zu bringen, da es doch bekanntlich gegen Kater helfen sollte. Faba war skeptisch geblieben. Wein der gegen Wein half? Sollte sich dieses bewahrheiten würden sich ihre Umsätze ins Unermessliche steigern. Ein Gedanke der einfach viel zu schön war um wahr zu sein. Aber andererseits - ausprobieren konnte man es, man denke doch nur daran wie sich diese Sitte langsam nach und nach verbreitete... leise hörte sie das Klimpern zahlreicher Denare während sie den Wein für Florina dann vorsichtshalber doch mit drei Teilen Wasser vermischte.

Nach und nach leerte sich die Taverne und füllte sich Fabas Geldbeutel. Nur mit Florina wollte es einfach nicht besser gehen. Faba ließ sie mit Quintus alleine zurück und begab sich in die Küche um das wirksamste Heilmittel herzustellen das ihr bei so welchen Härtefällen bekannt war: In Fett schwimmendes Spiegelei mit einer tüchtigen Lage Schinken auf fingerdickem Brot.

Undankbar stocherte Florina auf dem Teller herum, murrte und bat schließlich darum selber mal in der Küche schauen zu können ob sich nicht doch noch etwas anderes finden ließe. Faba versuchte ruhig und gelassen zu bleiben. Anscheinend kannte sich ja doch jeder ausgezeichnet in ihrer Taverne aus, was sollte eine weitere Person da noch einen Unterschied machen? Manchmal fragte sie sich wirklich was die alte Wirtin den ganzen Tag so getrieben hatte..

Wenn Florina jetzt allerdings in der Küche beschäftigt wäre hätte sie ein paar wertvolle, unbeobachtete Momente alleine mit Quintus. Ein herrlicher Gedanke. Sie zerrte die Verkaterte fast in die Küche, zeigte ihr schnell das Notwendige und eilte wieder hinaus um ihrem letzten verbliebenen Gast ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen.

Und da waren sie wieder, die verliebten Blicke, sanften Berührungen und beiläufige Unterhaltung ohne das Auszusprechen was wirklich durch ihre Köpfe ging.

"Ich traue mich nicht zu fragen ob sie ihren Freund schon wieder gesehen hat." sagte Faba leise. Florina hatte sich mit ihrem Liebhaber hier in Brundisium verabredet und dieser sollte nach einer Woche nachkommen. Immer wieder wanderten deren Gedanken zum Hafen und den ankommenden Schiff und sie fürchtete fast ihn zu verpassen, sollte sie einen Moment woanders verweilen.
"Ich denke nicht. Sie hat mich vorhin gefragt, ob ich ihren Liebsten gesehen hätte.."
Beide schwiegen. Insgeheim bezweifelten sie das dieser Freund noch einmal auftauchen würden - Liebesgeschichten funktionierten einfach nicht so. Und um so mehr Gedanken machten sie sich um Florina die eine derartige Möglichkeit komplett ausschloss und mehr Zeit am Hafen zu  verbringen schien als die dort wohnhaften Lastenträger. Was würde aus ihr werden? Würde ihr Vater sie ausfindig machen und holen? Wäre Agape mit ihrem geplanten Edelbordell zur Stelle wenn der jungen Frau ihre begrenzten Mittel ausgegangen waren und würde sie für ein geringes Entgelt an irgendwelches Gesindel vermieten?

Noch während der Überlegungen wurden sie von Florina unterbrochen die mit herrlich duftenden Omeletts, mit Käse gefüllten Datteln und einer scharfen Soße gewürzten Melonenstückchen auftauchte. Alles so hübsch angerichtet das es einem das Wasser im Munde zusammen laufen ließ.
Und wie es schmeckte! Ein echter Traum. Voller Begeisterung hatte Faba versucht Florina zu überreden in ihrer Taverne als Köchin anzufangen, aber noch widerstrebte es dieser... Noch. Faba lächelte und ließ sich liebevoll von Quintus mit einem Stück Dattel füttern.

Auch Florina war die Veränderung im Umgang der beiden miteinander aufgefallen und sie begann fröhlich die beiden auszufragen, ein Umstand der Faba nicht wirklich behagte, war ihr dieses ganze Gefühlschaos doch selber neu. Und als Quintus ganz unbefangen von der Drei-Tage-Regelung erzählte war Faba schon hochrot angelaufen und wollte vor Scham am liebsten im Boden versinken.

Über dem Meer ging langsam die Sonne auf und die Flüchtende verharrte um das imposante Farbenspiel zu genießen. Sie musste sich schnell an einige Dinge gewöhnen. Die Neugierde der Verliebten waren noch harmlos gewesen, aber was wäre wenn Corinus Wind von der Sache bekam? Sie würde ein wirklich dickes Fell brauchen.

Sie schaute auf das Pergament in ihrer Hand das Quintus ihr später noch in der Taverne zugesteckt hatte. Strich über das harte, wächserne Siegel von Longus. Sie verstand sich nicht wirklich auf die spitzen, juristischen Formulierungen, aber letztendlich bestätigte diese Urkunde doch das, was ihr am Herzen lag: Sollte sie die Ehe mit Quintus nach dem hiesigen Brauch eingehen, blieb die Taverne in ihrem Besitz.

In der Taverne angelegt versteckte sie das kostbare Dokument direkt unter dem losen Dielenbrett und schlüpfte in das riesige, kühle Bett im Obergeschoss.

Tief, ruhig und traumlos umfing der Schlaf sanft die Erschöpfte.