Samstag, 28. Juli 2012

Enttäuschungen

Hell und freundlich leuchtete das warme Licht einer Öllampe aus dem Fenster des Ludus. Ein Orientierungspunkt in der tiefen Schwärze der letzten Nachtstunden. Ein leises Rascheln neben ihr - sie presste sich instinktiv in den Schatten einer Hausmauer. Warm strahlten die gebrannten Ziegel noch den Rest der Tageshitze ab, während sie ängstlich in die Dunkelheit starrte. Die Nächte waren nicht ungefährlich, in den menschenleeren Gassen verschwand so einiges. Man sorgte für seinen eigenen Schutz oder lebte mit den Konsequenzen - im Idealfall ohne die Aufmerksamkeit des völlig korrupten Rechtssystems zu erregen. Plötzlich sprang ein grauer Schemen vor ihre Füße, fauchte leise und huschte davon. Eine Katze.. erleichtert atmete sie auf. Schnell hastete sie das kurze Stückchen zum Ludus, öffnete die Tür und ging auf Zehenspitzen die Treppenstufen hinauf zu ihrem Mann.

Der Tag war eine echte Enttäuschung gewesen. Beziehungsweise eine Aneinanderkettung diverser Enttäuschungen. So als ob die Götter beschlossen hätten heute mal ausgiebig zu zeigen was den Menschen drohen konnte. Das sie letztendlich doch nichts anderes waren als armselige Sterbliche, einsam und hilflos ihrem Los ausgeliefert, welches die Parzen schon lange vor der Geburt bestimmt hatten.

Irgendwie war jeder unzufrieden gewesen. Msanaa hatte am Hafen gelungert und gehofft, seine Muskeln und sein Peculium zu stärken indem er bei dem Entladen von Schiffen aushalf. Aber der Hafen war leer, selbst das Schiff des Ägypters hatte gerade abgelegt. So bot er Faba seine Hilfe an als Florina dazu kam und mit todtrauriger Stimme einen Gruß murmelte.

"Du bist doch der Gladiator der vor einigen Tagen gegen die Frau verloren hat" schleuderte sie dem Gladiator sofort ins Gesicht, wohl wissend das sie damit frische Wunden wieder aufriss. Das Angebot mit Msanaa einkaufen zu gehen um die Vorräte der Taverne aufzufrischen schlug sie aus und stichelte gnadenlos weiter auf den wehrlosen Sklaven ein. Auch Fabas Einwand das Msanaa ja gegen den Geparden gewonnen hatte, fruchtete nicht. Florinas Stimmung war auf einem absolutem Tiefpunkt und sie hatte es darauf angelegt zu verletzen. Herrisch forderte sie das der Nubier Serena tragen sollte um zu beweisen das er stark genug wäre ein Fass zu heben - eine absurde Idee in die sie sich völlig verrannte.

Unerwartet brach sie auf einmal in Tränen aus und rannte davon, verfolgt durch die verwirrten Blicke der Anwesenden. Die Wirtin seufzte: "Ich versuch mal mit ihr zu reden... Serena, kannst du dich derweil um die Taverne kümmern?" und machte sich auf die Suche.

In dem kleinen Park vor dem Bad fand sie Florina schließlich heulend auf einer Bank sitzen. Stockend, schniefend und reichlich verworren begann diese unter Tränen von ihrem Kummer zu erzählen.

Sie war am Hafen wohl jemandem begegnet der ihren Marcus kannte und ihm wohl von der Verlobung erzählt. Doch dieser hatte sie nur ausgelacht und behauptete, das Marcus sich kaufen ließe um Frauen zu beglücken oder zu betrügen - etwas von dem Faba noch nie im Leben gehört hatte. Wo lag bei so etwas der Nutzen? Und warum jemand dafür bezahlen wenn es doch Sklaven gab? Wer hätte denn ein Interesse daran gehabt das Florina verführt würde?

"Vater hat ihn wohl sehr gut bezahlt damit er mich ein wenig zufriedener macht und ich keine Dummheiten, weil... weil doch der neue Kandidat sich verspätet hatte... und.... Vater auf Reisen doch war" Florinas Antworten blieben rätselhaft. So langsam kam Faba der Gedanke das dieser "Bekannte" sich das ganze einfach ausgedacht hatte um die mit sich selbst so hadernde kleine Frau zu verletzen.

Nun berichtete sie auch zum ersten Mal über die Details ihrer Flucht. Es war nicht Marcus gewesen, der die Händlertochter überredet hatte zu fliehen. Sie war es, die ihm einfach eine Botschaft geschickt hatte mit der Aufforderung sie in einer Woche hier zu treffen und dann ohne eine Antwort abzuwarten vorreiste. Noch nie war es Faba so schwer vorgekommen nicht das offensichtliche zu sagen.
Amors Gift war tückisch - aber hier schien es wahre Meisterleistungen mit Florina vollbracht zu haben. Wie konnte man einem anderen Menschen derart blind vertrauen? Kein Wunder das er nicht hier war.

Aber diese Begegnung hatte zumindest etwas gutes - Florinas Liebe war schlagartig in Hass umgeschlagen und die junge Frau machte sich zum ersten Mal ernsthafte Gedanken über ihre Zukunft. Gemeinsam schmiedeten die beiden Frauen Pläne. Neben der Taverne befand sich ein leeres Haus das dem verwittertem Schild nach einst eine Bäckerei gewesen war. Und die Idee, diese zu mieten und wieder in Betrieb zu nehmen hob die Stimmung der Enttäuschten schlagartig. Faba gefiel der Gedanke - so hätte sie gewiss die Möglichkeit einfach und günstig an gutes Brot und andere Köstlichkeiten zu kommen.

Und dann die Enttäuschung als sie bei der Taverne angekommen war. Serena hatte ihr Versprechen gebrochen und war verschwunden. Stattdessen traf sie zwei neue Gäste an, die offensichtlich wegen der Wartezeit sehr verstimmt und hungrig waren. Sie schluckte einen lauten Fluch hinunter. Als sie gegangen war hatten hier drei Sklaven untätig herumgelungert - warum war keiner von ihnen losgeeilt um ihr Bescheid zu geben?

Zudem schienen die Gäste außerordentlich anspruchsvoll zu sein - aber glücklicherweise schien Florinas Kochkunst die Stimmung wieder halbwegs zu retten. Sogar die offensichtlich naschsüchtige Gladiatrix hatte noch einmal vorbeigeschaut um ein paar Datteln abzustauben und die späte Gesellschaft mit ihrer lebhaften Art zu unterhalten.

Dennoch blieb ein schales Gefühl am Ende des Tages zurück. Warum hatte Serena sie im Stich gelassen? Wie konnte Florina so grausam sein und ihre Launen an wehrlosen Sklaven ausleben? Sie hatte versucht ihr zu erklären wie sich so etwas für einen Sklaven anfühlte und die junge Frau schien auch ein schlechtes Gewissen deswegen zu entwickeln. Aber was würde das nächste mal passieren wenn Florinas Gefühle wieder so mit ihr durchgingen? Die Frau kam ihr immer mehr vor wie ein zweischneidiges Schwert...

Mit einem Lächeln auf den Lippen stand sie jetzt oben neben der Öllampe. Vor ihr lag friedlich schlummernd Quintus, seinen Kopf sanft auf einem Stapel Rechnungen gebettet. Liebevoll nahm sie ihm die Schreibfeder aus der schlaffen Hand und legte sie auf den Schreibtisch.

Ob sein Abend wohl besser gelaufen war?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen