Dienstag, 31. Juli 2012

Die Ersatzkatze schlägt zu

Hastig riss sie sich die Tunika von Leib. Das tiefe Rot wurde von unregelmäßigen, sich langsam rostrot verfärbenden Sprenkeln verziert. Blut. Viel Blut. Das Blut von Msanaa.

Und nicht nur auf ihrer Tunika, auch in der Arena und im Haus des Medicus - schier überall. Wer hätte gedacht das ein einzelner Mensch über soviel Blut verfügen könnte? Sie seufzte.
Eigentlich hätte heute der mysteriösen Kämpfer von Corinus gegen den Syrer antreten sollen, aber dieser war wegen irgend einem Zipperlein kampfunfähig. Schon seltsam, jetzt hatte sie ihn in der ganzen Zeit in der sie hier war noch nie kämpfen sehen. Entweder dieser Gladiator war wirklich so gut das er es nicht nötig hatte ständig anzutreten - oder so schlecht das er nicht mehr kämpfte um seinen Ruf nicht zu beschädigen.
Stattdessen hatte der offensichtlich von Großkatzen faszinierte Stadthalter mal wieder eine Tierhetze angesetzt und der Nubier war da als Retarius natürlich die erste Wahl. Aber dieser Gepard hatte es wirklich in sich gehabt.. und schließlich den erfahrenen Kämpfer fast vor den Augen des Publikums zerfetzt. In Gedanken an den Anblick des Raubtieres mit dem blutverschmiertem Gebiss, welches über dem riesigen Mann hockte und fauchte ließ ihr immer noch kalte Schauer über den jetzt nackten Rücken hinab laufen.

Sie verabscheute diese Art von Kämpfen. Das Gefecht Mensch gegen Mensch war etwas völlig anderes, ein spannender, mitunter tödlicher Wettkampf nach jahrhundertealter Tradition. Aber diese Bestien berührten etwas tief in ihr - die Furcht vor der grausamen Natur mit ihren wilden Launen. Eine Natur deren tödliche Tücken unberechenbar losschlagen konnte. Wie bei Terentia und ihrer Familia.... Wütend kickte sie die Tunika in die Ecke.

Der Sklave hatte nur wegen dem beherzten Eingriff des Tierführers überlebt, was durchaus nicht jeden im Publikum erfreut hatte. Völlig aufgelöst war sie nach dem Kampf zum Medicus gestürmt und hatte wie wild gegen seine Tür geklopft. Als sie ihn schließlich erfolgreich nach draußen gelockt hatte, wurde auch schon der Nubier achtlos von den Sklaven der Arena vor die Füße der beiden geschmissen.

Gemeinsam hatte sie es irgendwie geschafft den massigen Mann hinein auf den Behandlungstisch zu wuchten, wobei sie glücklicherweise nur dessen Helm verloren und nicht die Eingeweide, die schon neugierig aus der von scharfen Krallen gerissenen Bauchwunde lugten. Fassungslos starrte Faba darauf, als Tiberius sie aufforderte den Armschutz abzunehmen. Automatisch gehorchte sie seiner ruhigen, klaren Anweisungen - die Instinkte jahrelangen erzwungenen Gehorsams ließen sich nicht einfach abschütteln und gaben ihr in dieser so unwirklichen Situation Halt. Blut benetzte ihre Kleidung, während sie so gut sie konnte half und sich dabei langsam beruhigte.

Es tat gut, nicht mehr das ganze völlig hilflos von der Tribüne ansehen zu müssen (auf den Platz hatte man sie jetzt nach der Heirat mit Quintus verbannt) sondern handeln zu können. Gegen die Ohnmacht anzukämpfen. Tiberius gefasste Gelassenheit faszinierte sie, während er sich zuerst daran machte die Wunden mit Wasser - sie roch ganz eindeutig Kamille, vielleicht ein Tee? - auswusch, die schlimmsten Wundränder begradigte und vernähte. Er hatte wohl schon trotz seiner Jugend viel Schlimmes gesehen und dennoch seinen trockenen Humor bewahrt.
Der Retarius wurde unruhig, sein Kopf zuckte hin- und her während er Unverständliches murmelte. Drängten sich die Schmerzen doch bis zu seinem delirienhaften Dämmerzustand durch? Sanft strich die Wirtin mit einem befeuchteten Tuch über seine fieberheiße Stirn und versuchte ihn zu beruhigen. Sie hatte nicht gesehen das er einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte, aber vielleicht hatte er sich auf die Zunge gebissen und nuschelte deswegen so komisches Zeug? Oder war das Nubisch?
Entweder ihre Ohren gewöhnten sich langsam an die barbarischen Klänge oder Msanaa hatte dann doch ins lateinische gewechselt, auf jeden Fall konnte sie jetzt einige Satzfetzen verstehen. "Keine Siege, kein Wert, warum nicht sterben lassen in Arena..."
Sie verstrich ihren guten Honig zur Abwechslung auf den frisch genähten Wunden des Sklaven anstelle des üblichen leckeren Brotes. Zur Desinfektion, wie Tiberius sagte. Ein Glück das sie ihren Traubenmost nicht wie üblich mit Bleizucker süßte.

Mit der tatkräftigen Hilfe von Corinus wurde der Verletzte schließlich zum Ludus transportiert und dort Sabrinas Obhut überlassen. Wie konnte ein Mann der in der Öffentlichkeit lautstark den Tod von jemandem eingefordert hatte diesem ohne mit der Wimper zu zucken helfen? Der Lanista war voller Widersprüche.. aber tief in ihm steckte wohl wirklich ein gutes Herz.

Fröstelnd schlüpfte sie unter die dünne Decke. Morgen würde sie versuchen den Blutflecken bei zu kommen. Ob der Kämpfer überleben würde, der ihr gegenüber immer so höflich gewesen war? Selbst Tiberius war sich da anscheinend nicht sicher gewesen.
Ihre Hilfe war ebenso wenig uneigennützig gewesen wie die des Medicus. Sie wollte Quintus nicht begegnen wenn einer seiner Gladiatoren gestorben wäre ohne das sie für sein Hab und Gut gekämpft hätte.

Hohl hallte das Versprechen in ihrem Kopf, das sie dem von Zukunftsängsten geplagten Gladiator gegeben hatte: "Quintus wird dich nicht umbringen lassen, das verspreche ich Dir." Es stand im direkten Widerspruch zu ihrem Abkommen mit Quintus das sie sich nicht in Dinge einmischen würde die mit seinem Ludus zu tun hätten. Welches der beiden Versprechen war wichtiger?

2 Kommentare:

  1. Ja, die Sommerpause hat auch Vorteile!
    Neben dem Umstand das man die Wirtin mal in die Gegenwart reißt und im Avalonischen Musiktempel eine kesse Sohle mit ihr aufs Parkett legen kann, auch jenen das man endlich Zeit hat sich ihr Blog zu Gemüte zu führen :-)

    Toll geschrieben, es liest sich spannend, Du formulierst super und es ist echt ein Roman!
    Hut ab.
    Und nun da ich es endlich gelesen habe ist es natürlich auch verlinkt!

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  2. Auch Dir vielen Dank. Ich hatte Dir die Tage mal einen bunten Strauß wirrer Mitteilungen an Serena geschickt, da ich zu faul war den Namen Deines Hauptchars herauszufinden - aber anscheinend bist Du derzeit sehr selektiv was Deine Avatare angeht.

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