Sonntag, 15. Juli 2012

Von einem Kater, dem Kochen und den Freuden an kaltem Wachs

Still und heimlich stahl sie sich im Morgengrauen aus dem Bett, klaubte ihre verstreut herumliegenden Sachen zusammen und schlich auf Zehenspitze zur Treppe, während sie angespannt dem Atem des Schlafenden lauschte. Gleichmäßig und ruhig teilte er die Stille vor dem Morgengrauen in kleine, regelmäßige Abschnitte. Einatmen, Ausatmen - sie zog die Tunika über ihren Kopf, was der eh schon völlig zerzausten Frisur nicht weiter zuträglich war. Ein metallisches Schnappen und der billige Gürtel saß wieder an ihrer Taille. Hastig drapierte sie ihr Schultertuch um Haupt und Oberkörper um nicht allzu schnell erkannt zu werden. Die Schuhe nahm sie in die Hand als sie leise hinunter huschte und durch die offene Haustür wie eine Diebin davon eilte. Die zweite Nacht. Sie schluckte. Immer noch waren ihr die Morgen danach peinlich. Traf sie ihn in der Öffentlichkeit waren ihre Blicke und Berührungen immer noch scheu und verstohlen. Würde sich alles ändern wenn sie nun offiziell zusammen waren? Welche Veränderungen würde es überhaupt geben? Tief in ihr lauerte immer noch die Sklavin die sie einst war - wie sollte sie so eine gute Domina sein?

Sie unterdrückte ein Gähnen. Die zweite Nacht mit viel zu wenig Schlaf.

Kein Wunder, dass sie gestern erst viel zu spät in der Taverne angekommen war. Anscheinend hatte sich aber Raissa, die Sklavin von Maja schon um die Getränke gekümmert, denn sie stellte gerade einen Becher Wein vor ihre Herrin, die sich angeregt mit dem Sohn ihres Gatten und Agape über Schmuck unterhielt.

Und wie Florina ausgesehen hatte! Die Arme war ihrem Gesichtsausdruck und den Bewegungen nach zu urteilen vollkommen verkatert nach dem reichlichen Weingenuss von gestern und selbst kühles Wasser vermochte ihre Leiden nicht zu lindern.
Es kam der Vorschlag auf ihr Wein zu bringen, da es doch bekanntlich gegen Kater helfen sollte. Faba war skeptisch geblieben. Wein der gegen Wein half? Sollte sich dieses bewahrheiten würden sich ihre Umsätze ins Unermessliche steigern. Ein Gedanke der einfach viel zu schön war um wahr zu sein. Aber andererseits - ausprobieren konnte man es, man denke doch nur daran wie sich diese Sitte langsam nach und nach verbreitete... leise hörte sie das Klimpern zahlreicher Denare während sie den Wein für Florina dann vorsichtshalber doch mit drei Teilen Wasser vermischte.

Nach und nach leerte sich die Taverne und füllte sich Fabas Geldbeutel. Nur mit Florina wollte es einfach nicht besser gehen. Faba ließ sie mit Quintus alleine zurück und begab sich in die Küche um das wirksamste Heilmittel herzustellen das ihr bei so welchen Härtefällen bekannt war: In Fett schwimmendes Spiegelei mit einer tüchtigen Lage Schinken auf fingerdickem Brot.

Undankbar stocherte Florina auf dem Teller herum, murrte und bat schließlich darum selber mal in der Küche schauen zu können ob sich nicht doch noch etwas anderes finden ließe. Faba versuchte ruhig und gelassen zu bleiben. Anscheinend kannte sich ja doch jeder ausgezeichnet in ihrer Taverne aus, was sollte eine weitere Person da noch einen Unterschied machen? Manchmal fragte sie sich wirklich was die alte Wirtin den ganzen Tag so getrieben hatte..

Wenn Florina jetzt allerdings in der Küche beschäftigt wäre hätte sie ein paar wertvolle, unbeobachtete Momente alleine mit Quintus. Ein herrlicher Gedanke. Sie zerrte die Verkaterte fast in die Küche, zeigte ihr schnell das Notwendige und eilte wieder hinaus um ihrem letzten verbliebenen Gast ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen.

Und da waren sie wieder, die verliebten Blicke, sanften Berührungen und beiläufige Unterhaltung ohne das Auszusprechen was wirklich durch ihre Köpfe ging.

"Ich traue mich nicht zu fragen ob sie ihren Freund schon wieder gesehen hat." sagte Faba leise. Florina hatte sich mit ihrem Liebhaber hier in Brundisium verabredet und dieser sollte nach einer Woche nachkommen. Immer wieder wanderten deren Gedanken zum Hafen und den ankommenden Schiff und sie fürchtete fast ihn zu verpassen, sollte sie einen Moment woanders verweilen.
"Ich denke nicht. Sie hat mich vorhin gefragt, ob ich ihren Liebsten gesehen hätte.."
Beide schwiegen. Insgeheim bezweifelten sie das dieser Freund noch einmal auftauchen würden - Liebesgeschichten funktionierten einfach nicht so. Und um so mehr Gedanken machten sie sich um Florina die eine derartige Möglichkeit komplett ausschloss und mehr Zeit am Hafen zu  verbringen schien als die dort wohnhaften Lastenträger. Was würde aus ihr werden? Würde ihr Vater sie ausfindig machen und holen? Wäre Agape mit ihrem geplanten Edelbordell zur Stelle wenn der jungen Frau ihre begrenzten Mittel ausgegangen waren und würde sie für ein geringes Entgelt an irgendwelches Gesindel vermieten?

Noch während der Überlegungen wurden sie von Florina unterbrochen die mit herrlich duftenden Omeletts, mit Käse gefüllten Datteln und einer scharfen Soße gewürzten Melonenstückchen auftauchte. Alles so hübsch angerichtet das es einem das Wasser im Munde zusammen laufen ließ.
Und wie es schmeckte! Ein echter Traum. Voller Begeisterung hatte Faba versucht Florina zu überreden in ihrer Taverne als Köchin anzufangen, aber noch widerstrebte es dieser... Noch. Faba lächelte und ließ sich liebevoll von Quintus mit einem Stück Dattel füttern.

Auch Florina war die Veränderung im Umgang der beiden miteinander aufgefallen und sie begann fröhlich die beiden auszufragen, ein Umstand der Faba nicht wirklich behagte, war ihr dieses ganze Gefühlschaos doch selber neu. Und als Quintus ganz unbefangen von der Drei-Tage-Regelung erzählte war Faba schon hochrot angelaufen und wollte vor Scham am liebsten im Boden versinken.

Über dem Meer ging langsam die Sonne auf und die Flüchtende verharrte um das imposante Farbenspiel zu genießen. Sie musste sich schnell an einige Dinge gewöhnen. Die Neugierde der Verliebten waren noch harmlos gewesen, aber was wäre wenn Corinus Wind von der Sache bekam? Sie würde ein wirklich dickes Fell brauchen.

Sie schaute auf das Pergament in ihrer Hand das Quintus ihr später noch in der Taverne zugesteckt hatte. Strich über das harte, wächserne Siegel von Longus. Sie verstand sich nicht wirklich auf die spitzen, juristischen Formulierungen, aber letztendlich bestätigte diese Urkunde doch das, was ihr am Herzen lag: Sollte sie die Ehe mit Quintus nach dem hiesigen Brauch eingehen, blieb die Taverne in ihrem Besitz.

In der Taverne angelegt versteckte sie das kostbare Dokument direkt unter dem losen Dielenbrett und schlüpfte in das riesige, kühle Bett im Obergeschoss.

Tief, ruhig und traumlos umfing der Schlaf sanft die Erschöpfte.

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