Freitag, 6. Juli 2012

Von Ratten und Katzen

Am nächsten Tag füllte Faba ihren besten Wein in einen Becher, stellte einen kleinen Teller mit frischem Brot, Oliven, Käse, Schinken und Trauben zusammen und machte sich damit auf den Weg zu dem kleinen Schrein, den sie hinter der Taverne ausfindig gemacht hatte. Es war wahrscheinlich unfreundlich von ihr, aber sie wollte die Götter darum bitten das sich der Medicus irrte. Er war gewiss ein guter und gelehrter Mann, aber das Schicksal das seine Diagnose der Wirtin aufbürdete.. nein, das war zuviel.
Sie hatte kaum das Haus verlassen als sie schon ein ausgelassenes Kichern vernahm. Maja und ihr Mann Corinus turtelten ausgelassen am anderen Ufer des Kanals herum. Freundlich erwiderten sie Fabas Gruß, aber trotzdem hatte sie das Gefühl die beiden bei etwas wichtigem zu stören und die Ursache des doch sehr nervösen Verhaltens der beiden zu sein. Schnell verabschiedeten sie sich und traten in ihr Anwesen ein, während Faba vor dem Schrein niederkniete um die Götter um ihren Segen anzuflehen. Dumpf vernahm sie spitze Schreie hinter der geschlossenen Tür und schmunzelte. Die Wirtin hatte schon so etwas über das Pärchen angedeutet und es freute sie, das Amors vergiftete Pfeilspitzen nicht nur Unheil anrichteten. Sie fing an die rituellen Formeln aufzusagen als der Lärm trotz der dicken, dämpfenden Holztür lauter wurde. Trotz dieser Ablenkung versuchte sie ihr Gebet wieder aufzunehmen als schnelle Schritte hinter ihr erklangen. Sie drehte sich um und erblickte einen gut durchtrainierten gebräunten Mann, der mit nichts anderem als einem sehr knappen Lederschurz bekleidet war. Grüssend neigte er den Kopf und war auch schon weg geeilt, bevor sie den Gruß erwidern konnte.

Was für ein Lärm! Sie versuchte den Anblick des muskulösen, beinahe nackten Körpers zu verdrängen und vollendete das Opfer. Nachdenklich stand sie auf und klopfte sich den Straßenstaub von ihrer abgetragenen Tunika. Die Schreie aus der Nachbarschaft wurden unerträglich laut und kopfschüttelnd betrat sie wieder die Taverne.

Kurze Zeit später stürzte Majas Sklavin Serena in die Taverne. "Dominus schickt mich um Alkohol zu holen, einen starken, mit dem man die Rattenbisse säubern kann." Überrascht schaute Faba sie an. "Wie kommt er denn daran? Einen Pflaumenschnaps hatte ich irgendwo mal gefunden.." Sie begann wild in dem großen Vorratsschrank der Wirtin herumzuwühlen.

"Es waren ein paar Ratten im Ludus. Aber sie sind schon wieder weg." Vor Aufregung noch ganz durcheinander verwirrten Serenas Sätze mehr als das sie aufklärten.

In der hintersten Ecke des Schrankes stießen Fabas forschende Fingerspitzen endlich auf das Gesuchte. Unter einer dicken Staubschicht fand sie eine uralte, gut verschlossene Amphore die sorgsam von der Wirtin mit "Flaumenlikeur" beschriftet war, offensichtlich ein Teil des wohl gehüteten Privatvorrats der Wirtin. Faba drückte sie ohne zu Zögern in die Hand der Sklavin.

Sicherheitshalber folgte sie Serena zu Corinus Anwesen um ihm ihre Hilfe anzubieten, aber da dieser gerade unbekleidet war und von Maja und Serena im Bad versorgt wurde, einigte man sich durch Rufe darauf das Corinus sich später persönlich bei der alten Wirtin melden würde um mit ihr den Preis für den Schnaps auszuhandeln. Faba lächelte. Das war zwar nicht das was der Dominus ursprünglich beabsichtigt hatte, aber die Wirtin würde sich über ein wenig Besuch gewiss freuen. Und sie kannte das Glänzen in ihren Augen, wenn sie über die abgewetzte Oberfläche der Münzen strich, die ihr Faba nach Abschluss des Abends brachte.

Zurück bei der Taverne stieß sie fast mit Quintus zusammen und sie begrüßte ihn mit sich vor Freude rötenden Wangen. Nur zu gerne brachte sie ihm einen Wein und leistete ihm in der warmen Abendsonne ein wenig Gesellschaft. Quintus berichtete ihr das Longus wohl einen Geparden kaufen wollte und sofort erschien vor Fabas geistigen Augen das Bild dieser großen, schlanken Hunderasse mit den geifernden Lefzen und den vor Hass glühenden Augen. Stürmisch bedrängte sie ihn mit neugierigen Fragen, nur um festzustellen das Geparden dann doch nur große gefleckte Katzen sind. Bildlich beschrieb er ihr diese exotischen Tiere und versprach ihr auch, ihr beizeiten die Löwen des Statthalters zu zeigen. Und wie er erzählen konnte! Um sie herum nahm auf einmal die Welt der Gladiatorenkämpfe Gestalt an und Faba fieberte aus ganzem Herzen mit, als er ihr den Kampf Thalabs gegen Tisemenos schilderte. Retarius, Murmillo, Thraker... alles hatte einen eigenen Namen, eine ganz bestimmte Bewaffnung und spezielle Rüstungen und Vorzüge.

Er beschrieb das Leben der Gladiatoren und damit indirekt auch sein Leben. Nach und nach entwickelte sich aus dem ursprünglich unbefangenen Geplauder ein ernsthaftes Gespräch, ein zaghafter Austausch von Gedanken, ein vorsichtiges Erkunden von Einstellungen, Gefühlen und Wünschen.

Und dann fasste sich Faba ein Herz und berichtete ihm von ihrer niederen Geburt. Von dem Patron, welcher offiziell die Macht über sie hatte. Aber entgegen aller Befürchtungen verurteilte er sie deswegen nicht sondern blieb bei seiner hohen Meinung von ihr. Lange dauerte die Unterhaltung, nur durch eine kleine Katze unterbrochen welche selbstbewusst ihre Aufmerksamkeit einforderte. Als die beiden über das weiche, schwarze Fell streichelten berührten sich ihre Hände und sie lächelten. Sie teilten sich die Weintrauben, wobei er sie sanft damit fütterte, etwas für sie völlig neu war. Die Einladung für die Nacht, die er scheu bei der Verabschiedung aussprach, schlug die innerlich völlig aufgewühlte Faba aus.

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